Wenn er drin steckt, bin ich schon verliebt

Tag 6:
Luxusprobleme

Ich bin im Candy Store. Was ist eigentlich mein Problem? Zu viel Auswahl? Wirklich? Hand aufs Herz: Ich kämpfe mit Luxusproblemen. Wie viele Leute sehnen sich nach der Liebe, weil sie keine finden? Wie viele Menschen hätten gern mehr Sex, aber haben zu wenig Optionen? Und ich beschwere mich darüber, dass ich in der Vielzahl der Optionen die Tiefe und Bedeutung vermisse? Steht mir das zu? Oder bin ich einfach nur eine verwöhnte Prinzessin, die auf ihrer Erbse sitzt und nicht schlafen kann?

Wenn er drin steckt, bin ich schon verliebt.

Wenn ich ehrlich bin, ist mein Problem auch nicht die Vielzahl der Optionen, sondern dass ich mich immer wieder viel zu schnell in eine gemeinsame Zukunft fantasiere und mir wünsche, dass es dem anderen mindestens genauso viel bedeutet. Die Prinzessin wünscht sich ihren Prinzen. Und dadurch lasse ich mich viel zu schnell ein und bin im Kopf schon an einem Punkt, der in der Realität noch gar nicht eingetreten ist. One-Night-Stands mit Männern, die ich noch in der gleichen Nacht aufgegabelt habe, sind überhaupt nicht mein Ding. Habe ich versucht – hat nie funktioniert. Schwierig wird es für mich immer dann, wenn mein Gegenüber süß und einfühlsam ist und aus meiner ersten Kennenlernsicht wirklich Potenzial hat. OK, zugegeben relativiert sich das in der Mehrzahl der Fälle auch schnell wieder. Und doch ist es die Phase des ersten Kennenlernens, die ich immer am schwierigsten finde. Denn: Wenn er drin steckt, bin ich schon verliebt. Und nein: Männer können wunderbar auch ohne Liebe tollen Sex haben. Und mit Sicherheit können das auch Frauen – nur ich gehöre leider nicht dazu. Für mich gibt es eigentlich nur zwei Optionen: Entweder ist der Sex gut, dann bin ich irgendwie auch gleich emotional involviert und träume von einer gemeinsam Zukunft. Oder ich würde das Ganze nicht wiederholen wollen bzw. breche sogar noch währenddessen ab, weil es sich nicht so anfühlt wie es soll. Das sind dann die Jungs, die sich am nächsten Tag nicht unbedingt melden müssen. Und genau hier ist die Krux: Wahrscheinlich würde ich mein ONE YEAR NO GUY-Experiment nicht machen, wenn ich einfach cooler mit Casual Sex umgehen könnte und von meinen Gefühlen nicht immer direkt so beeinflusst bis überwältigt wäre. Nun gut: Ich habe es oft genug versucht. Das kann ich einfach nicht. Und ich kann ja nicht einmal etwas dafür. Die Hormone sind Schuld. Und ich kleines Sensibelchen bin davon immer direkt ergriffen.

Wenn ich allerdings darüber nachdenke, dann kommen mir Zweifel auf, ob ich mich darüber beschweren sollte. Ich spüre mich einfach extrem intensiv. Nicht nur das Verliebtsein, sondern auch Freude, Empathie und genauso auch Trauer. Und wahrscheinlich verdanke ich auch meine unglaublich intensiven Orgasmen, der Tatsache, dass ich mich so gut spüren kann. Möchte ich darauf verzichten? Um Gottes Willen, sicher nicht!!

Bin ich Luxus-Sexaholic?

Ich muss gerade darüber schmunzeln, denn wenn die Tatsache, dass ich mich zu schnell verliebe, die dunkle Seite meines genussvollen Sexlebens ist – auch wenn ich gerade darauf verzichte – dann ist das ein Problem mit dem ich Leben kann.

Sind mir Sex und Liebe deshalb so wichtig – weil ich es so intensiv erlebe? Kann es sein, dass ich etwas gestochen scharf in HD mit den wundervollsten Farben und dem tollsten Raumklang erlebe, währenddessen andere noch den Schwarz-Weiß-Fernseher benutzen? Den Inhalt der Filme verstehen wir alle – aber der Genuss dabei ist ein anderer. Ein interessanter Gedanke: Wenn wir davon ausgehen, dass wir zwar glauben, dass wir einen geteilten Moment gleichartig erleben oder das Autofahren im gleichen Auto und auf der gleichen Strecke sich für jeden ziemlich identisch anfühlen würde. Was wäre dann, wenn wir realisieren müssten, dass zwei Menschen den gleichen Moment komplett anders erleben können. Vielleicht weil der eine besser riechen und schmecken kann als der andere und das Essen viel intensiver genießt. Vielleicht auch, weil uns unsere Lebenserfahrungen gleiche Handlungen anders bewerten lassen und wir daher unterschiedliche Dinge wahrnehmen. Insbesondere dadurch, dass unser Unterbewusstsein so einen erschreckend kleinen Teil der wahrgenommenen Realität in unser Bewusstsein durchlässt und es in dem Prozess auch noch zu individuellen und zum Teil konditionierten Bewertungen der Situation kommt. Kann ich mir dadurch erklären, dass ich andere Ansprüche an Sex habe und dass mir die 10er Karte im Jahr eben nicht genug ist? Oder hat die Tatsache, dass mir Sex wichtig ist und ich ihn in allen Farben, Formen und Intensitäten hatte die Folge, dass ich abgestumpft bin? Schmeckt mir nur noch der Champagner? Ohne Frage kann ich nicht den ganzen lieben langen Tag und mein ganzes liebes langes Leben lang Champagner trinken. Wasser sollte sich auch mit in meine Gläser mischen. Müsste ich mich bemühen Wasser wieder genießen zu können? Bin ich ein Luxus-Sexaholic – quasi ein Alkoholiker auf extrem hohem Niveau? Ist man auch ein Alkoholiker, wenn man nur Champagner trinkt oder gilt man dann als Hedonist der ganz großen Sorte. Hab ich unter dieser Perspektive überhaupt noch ein Problem oder muss ich einfach den Sekt und Crémant weglassen, weil er gegen den Champagner nicht ankommt? Brauch ich folglich einfach nur mehr Händchen bei der Auswahl des guten Tropfens und weniger Versuche doch beim Discounter ein schnelles Schnäppchen zu machen? Genug Weinproben hatte ich in meinem Leben, um die Güte im Glas einschätzen zu können. Oder sollte ich versuchen einen guten Champagner ohne Alkohol zu finden, damit er weniger toxisch ist? Ich muss das erstmal sacken lassen und werde das weiter durchdenken müssen. Mir schwirrt gerade der Kopf.

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