Tag 134:
In good and bad times

Nachdem ich gestern tränenüberströmt und voller Trauer ins Bett gegangen war, wachte ich heute morgen mit einer interessanten Erkenntnis auf:

Mein Interesse an Männer, war v.a. auf die schlechten Zeiten des Lebens ausgerichtet. Ich wollte Nähe und Zweisamkeit immer dann, wenn ich selbst bedürftig war. Und in diesen Phasen des Defizits und der Leere begann ich mich umzusehen, ob es da vielleicht jemanden gibt, der diesen Platz in meinem Leben ausfüllen könne, damit ich mich weniger allein fühlte. Ein Mann wenn ich mich gerade einsam fühlte. Ein Mann, der mir über eine Trennung hinweg helfen sollte. Ein anderer, der mir helfen sollte mich endlich trennen bzw. emotional ablösen zu können.

Wann sehnte ich mich nach einem Mann in meinem Leben? – Wenn es mir gerade schlecht ging und ich mir wünschte, dass mich jemand im Arm hält
Wann fing ich an zu Daten? – Wenn ich gerade den Wunsch nach körperlicher Nähe hatte
Wann hielt ich an jemandem fest? – Wenn ich das Gefühl hatte, dass ich jemanden brauchte, der mir Schutz und Stärke gab wenn in meinem Leben gerade der Sturm tobte

Und dies galt auch umgekehrt

Wann ließ ich einen Mann gehen? – Wenn es mir gut ging und ich genug Ablenkung im Außen oder meinen Projekten hatte
Wann kümmerte ich mich zu wenig um meine Beziehungen? – Wenn es genug andere Menschen gab, die mein Bedürfnis nach Nähe erfüllten
Wann wollte ich mich der Ketten einer Beziehung entledigen? – Wenn ich selbst frei und leicht wie eine Feder war und fliegen wollte.

Mein Blick auf Beziehungen ist ein falscher. Wie soll mich so ein Mann finden, mit dem ich in guten wie schlechten Zeiten verbunden sein kann, wenn ich nur dann bereit für Zweisamkeit war, wenn mir die Einsamkeit zuwider wurde und ich nur dann jemanden suchte, wenn es mir schlecht ging?

Ich müsste eigentlich immer dann daten, wenn ich auf dem Höhepunkt meines persönlichen Wohbefindens bin. Doch dort angekommen, interessieren mich Männer und ihre Marotten wenig. In diesen Momenten habe ich regelmäßig das Gefühl, dass ich gerade sicher nicht von der schlechten Laune eines grummelnden Mannes oder den Kompromissen, die ich mit ihm machen müsste, aus meinem Hochgefühl heruntergezogen werden möchte. Ich suchte nicht nach einer Beziehung „in guten wie in schlechten Zeiten“. Ich suchte nach Pflastern für die Wunden, die gerade aufgingen und anfingen zu bluten. Meine Beziehungsversuche waren wie ein Druckverband. Doch ein Druckverband darf nicht langfristig getragen werden. Sonst bringt dieser gravierende Schäden an den abhängigen Körperpartien mit sich.

Und genau hier komme ich ins Stocken: Warum sehne ich mich eigentlich nach einer Beziehung? Wenn es mir gut geht und ich gerade keine „offenen Bedürfnisse“ habe, weiß ich ehrlich gesagt meist nicht, warum ich mich auf dieses Gefühl der Abhängigkeit zu einer anderen Person einlassen soll. Meine Angst, dass jemand anderes mit seiner Laune oder seinem Verhalten Einfluss auf mein Wohlbefinden hat, ist enorm groß. Wenn es mir gut geht, kommt mir eine Beziehung zu einem Mann mit all seinen Eigenheiten eher wie ein zusätzliches Gewicht auf dem Rücken meines Lebens vor. Und das war dann oft der Zeitpunkt, an dem ich aus Beziehungen ausgebrochen bin.

Die Sehnsucht nach Zweisamkeit kommt immer dann in mir auf, wenn ich zu viel Zeit allein verbringe, wenn ich Sehnsucht nach körperlicher Nähe und diesem “Haut an Haut”-Gefühl habe und einfach mal wieder in den Arm genommen werden und knutschen will. Wenn ich in den Urlaub fahren und keiner meiner Freunde Zeit hat mitzukommen. Wenn es ein Samstagabend ist und ich keine Lust habe mich zu verabreden und trotzdem nicht allein sein möchte. Immer dann wenn ich einen Mann in meinem Leben möchte, ist das eigentlich ein Zeichen dafür, dass ich mich gerade schwach fühle und ich mich nach Stärke und Zuneigung sehne. Doch das sollte nicht der Ausgangspunkt für ein Kennenlernen und auch nicht die Grundlage für eine Beziehung sein.

Wenn ich darüber nachdenke, habe ich alle meine Beziehungen auf diesem Kernaspekt der Bedürftigkeit in diesem oder jenem Bereich aufgebaut. In diesen Momenten fragte ich mich nicht, ob dieser Mensch wirklich zu mir passte. Ich ließ ihn in mein Leben, um ein Defizit auszugleichen. Und sobald dieses Leere gefüllt war, schwand meine Motivation diese Beziehung weiterzuführen.

Mit meinem OYNG-Experiment arbeite ich seit mehr als 4 Monaten dieser Sichtweise entgegen. Der Verzicht auf sexuelle Interaktionen zwingt mich dazu, zu lernen das manchmal aufkommende Gefühl der Einsamkeit selbst zu be- und verarbeiten. Ich kann mich nicht in die Arme eines Mannes flüchten, damit es mir besser geht. Gleichzeitig kann ich lernen richtig hinzuschauen, wenn ich einen Mann kennenlerne. Ich kann ihn als Mensch und nicht als „Bedürfniserfüller“ entdecken. Ich kann wirklich interessiert an ihm und all seinen Facetten sein, anstatt ihn aus meiner Perspektive egoistischer Bedürftigkeit anzuschauen. Und vor allem lerne ich mich abzugrenzen und Nein zu den Dingen zu sagen, die ich nicht möchte. Indem ich jeden Tag aufs Neue darum kämpfe Nein zu sagen, lerne ich mir selbst treuzubleibend. Ich lerne meine eigenen Bedürfnisse klar zu äußern und nicht Pseudo-Beziehungen zu führen, um diese erfüllt zu bekommen. Ich lernen meinen Körper nicht als Hebel für Nähe einzusetzen. Ich lerne für mich selbst dazusein. Ich lerne meine eigenen Bedürfnisse selbst zu befriedigen. Ich lerne unabhängig zu sein und gleichzeitig mich noch mehr einzulassen. Ich lerne weicher zu werden – zuallererst mit mir. Ich lerne so viel…

Ich habe deshalb ein neues Mantra, mit dem ich auf das Thema Beziehungen schaue:

„Nicht weil ich dich brauche, will ich mit dir sein. Sondern weil du mein Leben auf eine Art und Weise bereicherst, die darüber hinaus geht.”

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