Tag 135:
Manchmal muss es wehtun

Samstagnacht legte ich mich voller Trauer und tränenüberströmt ins Bett. Ich ließ die Gedanken zu, niemals auf einen Menschen zu treffen, der mich als Partner durch mein Leben begleitet. Ich fühlte in den Schmerz hinein, der aufkommt, wenn ich mir vorstelle, dass mein größter Wunsch – der nach wahrer Liebe – nie erfüllt werden wird. Ich ließ die Bilder aufkommen, wie ich alleine alt werde, keine eigenen Kinder habe und einsam sterbe. Wenn ihr mich fragt wovor ich am meisten Angst habe, dann ist es genau diese Vorstellung.

Ich bin ein Mensch, der gern mit Menschen ist. Nicht jede Sekunde und ständig. Und dennoch bedeutet mir mein soziales Netz extrem viel. Eine Partnerschaft ist für mich eine Ergänzung zu diesem Netzwerk. Und gleichzeitig sind meine Beziehungen immer ein Stück weit Bestätigung gewesen. Meine Überzeugung war dabei diese:

Wenn sich jemand dafür entscheidet mit mir zusammen zu sein, kann ich gar nicht so schlecht sein. Wenn sich ein faszinierender Mensch, der ohne Frage auch andere Frauen haben könnte, dafür entscheidet mit mir zusammen sein zu wollen, muss ich etwas Besonderes sein. Will keiner mich als seine Partnerin, ist das wie der Stempel „Ausschuss“.

Und genau deshalb ist das Alleinsein für mich manchmal so schwer. Es ist der Gedanke: „Was stimmt mit mir nicht? Warum will mich keiner?”

Die Tatsache keinen Partner an meiner Seite zu haben, ist für mich gleichbedeutend mit der Bewertung nicht gut genug zu sein. Es ist die Bestätigung eines Glaubenssatzes, der sich viel zu lange in meinem Unterbewusstsein breit gemacht und sich dort eingebrannt hat. Jeder Mann, der mich nicht als Ganzes will, streut Salz in diese Wunde.

Gleichzeitig baute ich mir eine Welt aus „guten Freunden“ auf, von denen ich wusste, dass ich sie nicht attraktiv fand, deren Schmeicheleien ich aber ohne Frage genoss. Auf manche von Ihnen ließ ich mich auch sexuell ein. Sie gaben mir Bestätigung irgendwie doch nicht so schlecht zu sein, wie ich es manchmal in mir glaubte. Und immer wenn ich es brauchte, bekam ich von ihnen eine Prise „Selbstwertgefühl“.

Am Samstagabend stellte ich mich dieser Angst. Ich machte mir bewusst, dass ich die letzten 15 Jahre nicht einmal einen passenden Partner gefunden hatte und dass es deshalb durchaus sein kann, dass ich auch die kommenden 15 Jahre keinen Partner finden werde. Dass ich vielleicht sogar bis zum Ende meines Lebens eine solchen Partner nicht finden würde. Dass ich bis zum Ende meines hoffentlich langen Lebens allein sein werden. Und ich spürte die Leere, die aus diesen Gedanken aufstieg und sich in mir breit machte.

Wenn ich rational darüber nachdenke, dann ist es nicht nur so, dass ich bisher keinen Mann gefunden habe, der ritterlich um mich gekämpft hat. Ich habe auch keinen Mann gefunden, mit dem ich mir hätte vorstellen können mein Leben zu verbringen. Um ehrlich zu sein habe ich noch nie einen Menschen kennengelernt, den ich hätte tagein und tagaus um mich haben wollen. Ich habe wundervolle Freunde – wirklich beeindruckende, herzensgute und interessante Menschen, die mir so viel bedeuten – und dennoch würde ich keinen von ihnen jeden Tag um mich haben wollen. Ich genieße die Zeit mit ihnen vielleicht sogar deshalb so sehr, weil die Zeit rar ist, weil man sich gegenseitig nicht auf die Nerven geht, weil man die eigenen Macken und die des anderen nur deshalb erträgt, weil man viel Luft zum Atmen hat. Selbst meine beste Freundin und ich – so gern wie ich mit ihr Zeit verbringe – brauchen nach den wunderschönen Momenten miteinander Pausen für uns selbst, die dann wieder bewirken, dass wir uns aufeinander freuen können.

Irgendwie habe ich bei Beziehungen immer gedacht, dass irgendwann ein Mann kommt, der mich packt, mich liebt und mich nicht mehr gehen lässt. Und immer wenn solch ein Mann in mein Leben kam, wurde es mir sehr schnell viel zu eng. Ich habe gehofft, dass irgendwann ein Mann kommt, der mich von meinem Schmerz befreit und durch den ich endlich den Beweis habe, dass ich genug bin. Ein Mann, von dem ich nicht zurückgewiesen werde. Einer, der voller Leidenschaft, um mich kämpft, weil ich ihn so beeindruckt habe, dass er er mich und nur mich will.

In dieser tränenerfüllten Samstagnacht habe ich erkannt, dass dieser Mann nicht kommen wird. Es wird keinen Mann geben, der die Wunde heilt, die ich selbst noch nicht geheilt habe. Es wird kein Mensch kommen, der mich packt und festhält, wenn ich selbst nicht bereit bin festgehalten zu werden. Und vor allem wird kein Mann kommen, mit dem ich ab Tag X glücklich bis zum Ende meiner Tage sein werden. Das Wichtigste ist dabei zu verstehen:

„Wenn wir ohne Beziehung unglücklich sind, sind wir es vermutlich auch mit einer Beziehung. Eine Beziehung ist nicht der Beginn unseres Lebens; eine Beziehung ist die Fortführung unseres Lebens.“

(aus „Kraft zum Loslassen“ von Melody Beattie)

Und genau darum geht es. Das ist genau der Grund warum ich gerade mein Leben aufräume und warum ich auf Männer verzichte. Es geht darum nicht im nächsten Mann und auch nicht in der nächsten Beziehung das Heil für meine Wunden zu suchen. Es geht darum mein Leben so aufzustellen, wie ich es mir wünsche. Denn genau aufgrund dieser falscher Vorstellungen und fehlgeleiteter Überzeugungen, sind meine bisherigen Beziehungen bzw. Beziehungsversuche gescheitert.

Am Sonntagmorgen bin ich aufgewacht und habe mich befreit gefühlt – befreit von einer falschen Illusion. Eine Illusion, die mich blind gemacht und mich mit falschen Hoffnungen überschüttet hat. Diese Erkenntnisse haben die Verantwortlichkeiten in meinem Leben zurecht gerückt. Ich weiß jetzt, dass ich nicht immer am Boden zerstört sein muss, wenn meine illusorischen Beziehungsfantasien nicht erfüllt werden. Ich suche nicht mehr, nach dem Mann, der auf dem weißen Pferd angeritten kommt und mich aus meiner Welt herausreißt und in eine andere entführt. Und v.a. suche ich nicht mehr nach dem Mann, mit dem immer alles gut ist und der von Tag 1 an alles richtig macht. Denn all das gibt es nur im Märchen.

Ich habe auch einen neuen Zugang zu der Weisheit: “Du musst lernen dich selbst zu lieben, bevor dich ein anderer lieben kann.” gefunden. Sie stimmt. Aber man darf auch nicht aufhören sich selbst zu lieben und sich um sich selbst zu kümmern, sobald ein anderer Mensch da ist, der das für einen übernimmt. So hart wie manche von uns das vor einer Beziehung lernen müssen, so sehr dürfen sie diese erlernten Fähigkeiten nicht aufgeben, sobald sie Liebe gefunden haben. So verliebt wie wir manchmal sind und so viel Fokus deshalb auf unserem Partner und der Beziehung liegt, so sehr müssen wir weiterhin auf uns selbst und unsere Bedürfnisse achten. Es ist wie der Muskel, der ständig trainiert werden will, weil er sonst verkümmert egal wie stark er einmal war.

Ich habe verstanden, dass ich nicht nur solange stark sein muss, bis der Richtige kommt. Ich habe verstanden, dass ich die Verantwortung für mein Glück niemals in die Hände eines Partners übergeben können werde. Auch wenn ich mir manchmal wünschen würde alle Verantwortung abgeben und schwach sein zu dürfen. Ich weiß, dass ich für mein Leben bis zu meinem letzten Atemzug verantwortlich bleiben werde. Egal wie verliebt oder wie verheiratet ich eines Tages vielleicht bin. Und so eigenverantwortlich ich für mein Leben bin, so eigenverantwortlich muss auch mein Partner mit seinen Bedürfnissen umgehen. Auch wenn das manchmal heißt, dass wir uns beide gegenseitig auf die Füße treten.

Befreit von dieser Illusion kann nun etwas anderes wachsen. Etwas Echtes. Etwas Realistisches. Etwas, dass nicht beim ersten Windhauch zusammenfällt. Und im Nachhinein freue ich mich über die Tränen in dieser emotionalen Samstagnacht, die so viel alten Ballast und so viele falsche Vorstellungen weggespült haben.

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