Tag 82:
Resonanz vs. Dissonanz

Im letzten Post habe ich euch von den unterschiedlichen Stimmen erzählt, die uns verführen. Diese kleinen Teufelchen, die auf unserer Schulter sitzen und uns abzulenken wollen. Sie wollen lieber, dass wir unsere Zeit vergeuden anstatt fokussiert auf unserem Weg zu bleiben. Doch: Was ist der richtige Weg? Und vor allem: Was ist die richtige Mischung aus richtig und falsch?

Daher habe ich ich in den letzten Tagen intensiv mit dem Thema von Ablenkungsmechanismen auseinander gesetzt und für mich reflektiert wie viel Ablenkung ich mir erlauben möchte, kann und sollte. Der heutige Post ist das Ergebnis dieser Überlegungen.

Die Dosis macht das Gift

Wir alle brauchen Ablenkung! Wenn wir uns nicht regelmäßig auch mal mit etwas anderem als dem ehrgeizigen Streben nach unseren Zielen beschäftigen und nicht auch zwischendurch mal die Seele baumeln lassen, geraten wir wieder ins Hamsterrad des „Tun, Müssen und Sollen“. Ablenkung und Hamsterrad sind dabei wie die beiden extremen Pole einer Verhaltenseigenschaft. Doch Radikalität ist nie gesund. Es braucht die Balance und die Schwingungsfähigkeit zwischen den beiden Extremen, statt dem Festgefahren sein in einem einzigen Zustand.

Ein fauler und träger Tag dazwischen ist doch kein Problem. Ganz im Gegenteil, das muss auch mal sein und ist gesund. Aber wenn du dich jeden Abend ärgerst, dass du mal wieder nichts anders auf die Reihe bekommen hast, als Kommentare unter Insta-Feeds zu schreiben und die Stories anderer Leute anzuschauen bekommst du wahrscheinlich mittel- bis langfristig ein Problem mit deinem inneren Schweinehund.

Und genau das ist meine Antwort auf die richtige Mischung. Was ist langfristig gut? Wie kannst du langfristig gut mit deinem Leben, deiner Zeit und Energie umgehen? Wie willst du deine Tage gestalten, um langfristig mit dir im Reinen zu sein?

Natürlich gibt es Tage, an denen ich zu viel durch meine Social Media Feeds scrolle oder mich mit einem Film von wichtigen Aufgaben ablenke, die ich heute unbedingt noch schaffen wollte. Ist das ein Problem? Nein! Denn am nächsten Tag erinnere ich mich, dass ich mein gestriges Verhalten doof und als nicht sonderlich bereichernd empfand und fahre das Ganze wieder zurück.

Es ist wie Essen. Wenn ich ein gesundes und „normales“ Essverhalten habe, dann kann ich an einem Tag mehr essen und am nächsten Tag sind meine Speicher gefüllt und ich habe automatisch weniger Hunger. Als ich aus Nepal und einer 200km-Wanderung zurückkam, konnte ich tage- bzw. wochenlang nur essen. Ich hatte so einen wahnsinnigen Hunger, weil ich total abgemagert und ausgedünnt zurück nach Deutschland kam. Ich aß wie ein kleiner Scheunendrescher und statt der normalen drei Mahlzeiten am Tag waren es eher fünf bis sechs. Sobald meine Speicher wieder voll waren und ich mein gesundes Normalgewicht erreicht hatte, war der Heißhunger auch wieder vorbei. Hätte ich mir Druck gemacht diese abgemagerte Version meiner Selbst zu erhalten, wäre ich in eine unschöne Hunger-Heißhunger-Spirale gekommen. Stattdessen wusste ich, dass ich der Natur einfach ihren Lauf nehmen lassen kann und alles gut so war. Denn mir war bewusst, dass ich solche Magerphasen langfristig nur unter extremen Entbehrungen in einem Kampf mit mir und gegen mich aufrecht erhalten kann und dafür ist mir meine Energie zu schade. Außerdem habe ich in Jahren der Arbeit mir mir selbst gelernt, dass mich 1-2 Kilo mehr oder weniger auf der Waage nicht mehr oder weniger liebenswert machen. Eine sehr sehr wichtige Lektion!

Außerdem ist es wichtig zu verstehen, dass Pausen oder “faule Tage” nicht unbedingt konträr zu deinen Zielen stehen müssen. Ganz im Gegenteil. Sie sind oft essentielles Fundament für deine Erfolge. Fokussiert an dich und deinen Zielen zu arbeiten, bedeutet nämlich nicht dir keine Pausen zu gönnen. Ganz im Gegenteil, es bedeutet dir Pausen gönnen zu müssen. Ein Marathonläufer nimmt sich in den Tagen vor dem großen und wichtigen Wettkampf auch keinen langen Lauf mehr vor. Manchmal brauchen wir unsere Ruhephasen, um danach noch effektiver angreifen und unsere Träume realisieren zu können. Wichtig ist, dass du das verstehst und ein rastloses und energiezehrendes Verhalten zur Erfüllung deiner Ziele ablegst, denn das ist genauso fehlgeleitet wie jeden Tag auf der Couch vor sich hin zu vegetieren. Es kommt auf die gesunde Balance an.

Um was geht es in der ganzen Frage um die richtige Mischung also? Ganz einfach: Fühlst du dich die meiste Zeit deines Lebens so wohl in deiner Haut wie du aktuell bist? Und wenn nicht, woran liegt das?

Engel oder Teufel?

Wenn du deine Abwehrmechanismen eine Weile beobachtest, wirst du ein Gefühl dafür bekommen was gesundes Verhalten ist und wo du gerade abschweifst. Ist es z.B. verkehrt in einer aufgeräumten Wohnung zu wohnen? Sicher nicht? Aber müssen die Kisten, die seit 2 Jahren unten im Keller stehen wirklich HEUTE aufgeräumt werden? Wahrscheinlich eher nicht! Du wirrst spüren, wo es gerade deine Teufelchen sind, die dir Ideen ins Ohr flüstern und was Aktivitäten sind, die mit deinen Zielen in Einklang sind. Stimmiges Verhalten erzeugt eine Resonanz. Das bedeutet, dass du dich in dir gut, richtig, weise und besonnen fühlst. Du ruhst in dir und machst die Sachen aus deiner inneren Mitte heraus. Im Gegensatz dazu herrscht Dissonanz in dir vor, wenn deine Abwehrmechanismen die Kontrolle über dein Verhalten übernehmen. Du fühlst dich dabei gehetzt und getrieben. Vielleicht auch wie ferngesteuert oder erkennst dich selbst nicht wieder. Dinge von denen du selbst denkst: “Das wollte ich doch anders machen!” und irgendwie tippt deine Hand trotzdem wie zwanghaft immer wieder auf die Apps, von denen du eigentlich mal Ruhe haben wolltest. All das sind Anzeichen dafür, dass gerade dein innerer Saboteur am Werk ist.

Über die Zeit kannst du sogar lernen, was der Hintergrund dieser Selbstsabotage ist. Etwasm das früher schwer bestimmbar und kaum greifbar war und sich deshalb so schwer an die Wand stellen ließ, bekommt Nuancen und kann so gezielt bearbeitet werden. Du lernst aus dem Orchesterstück die einzelnen Instrumente und Stimmen herauszuhören, ihre Beweggründe zu verstehen und ihnen Namen zu geben. So wirst du als Dirigent dieses bunten Treibens in der Lage sein, die einzelnen Querulanten anzusprechen und auf ihre Stimmengesänge einzugehen. Du wirst lernen mit ihnen umzugehen. Einige von ihnen hören sogar auf ständig quer zu schießen, andere kleben ein bisschen langfristiger an deinen Sohlen und brauchen mehr Erziehung. Aber eins kann ich dir versprechen: Du wirst Schritt für Schritt du selbst und dein Grad an Selbstreflektiertheit und innerer Ruhe steigt enorm, je mehr Teufelchen du los wirst oder zumindest in regelmäßigen Diskurs mit ihnen gehst und sie in die Schranken weist.

Mach es greifbar

Ein schöner und einfacher Anfang, um die Reflexion deiner Ablenkungsmechanismen zu starten, ist ein Ablenkungstagebuch. Schreibe darin jeden Abend die Sachen auf, mit denen du heute nicht so happy warst bzw. wo du das Gefühl hattest, dass du deine Zeit nicht so eingesetzt hast, wie du es gern gehabt hättest. Pass bitte auf, dass du hier nicht zu streng zu dir bist. Ein gemütlicher Guten-Morgen-Kaffee und ein Kuschelabend auf der Couch können wie oben beschrieben durchaus gute Taten sein, wenn sie deiner Seele gut tun und für einen gesunden Ausgleich sorgen. Dein Ziel sollten keine vollends durchgeplanten 16-Stunden-Tage sein, sondern ein Arbeitspensum, dass du langfristig halten kannst ohne nach Super-Power-Phasen immer wieder mit einem Bein kurz vorm oder im Burnout zu stehen. Denn dann bist du in der oben beschriebenen Ausprägungsskala wieder im Hamsterrad-Bereich.

Nachdem du aufgeschrieben hast, wo du deine Zeit an diesem Tag unsinnig verdaddelt hast, überlege dir eine (bis maximal drei) Verhaltensweisen, die du am nächsten Tag anders und besser machen willst und schreib dir auf wie du das angehen möchtest. Ich würde tatsächlich am Anfang empfehlen dir immer nur eine Sache für den nächsten Tag vorzunehmen. Und das sollte die sein, wo gerade am meisten Dampf dahinter steckt. Dann hast du genug Energie, um das überzeugt anzugehen. Um zu bewerten welchem Thema du dich widmen möchtest, überlege dir Folgendes: Über welche deiner Ablenkungsmanöver hast du dich heute am meisten geärgert? Woran willst du am dringendsten arbeiten?

Wenn du mehrere Dinge gleichzeitig angehst, dann musst du deine Aufmerksamkeit zwischen all den Vorhaben zu sehr verteilen und es wird nicht Halbes und nichts Ganzes. Weniger ist hier wirklich mehr! Es ist wie mit der Nervenautobahn, von der ich im Post zu Tag 35: “Lernen Nein zu sagen“ geschrieben habe. Wenn du gleichzeitig wieder an zu vielen Fronten kämpfst, dann bekommst du keine stabile neue Nervenautobahn gebaut. Die Chance auf eine langfristig erfolgreiche Verhaltensänderung und die Aufgabe der alten Verhaltensweisen ist somit geringer.

Am nächsten Abend reflektierst du dann über die Sachen, die du dir vorgenommen hast. Wie gut hat das funktioniert? Was hätte noch besser laufen können? Welche anderen Dinge haben heute wieder mit deinen Plänen interferiert. Nimm entweder die Themen des gestrigen Tages noch einmal auf und bearbeite sie so lange bis du einen gesunden Umgang damit gefunden hast oder nimm neue Ziele auf, die du den nächsten Tag angehst.

Viel Spaß beim Reflektieren. Und: Ich freue mich wahnsinnig über deine Rückmeldungen! Also sag mir gern wie du die Idee des Ablenkungstagebuchs findest, ob es gut für dich funktioniert oder ob du noch ergänzende Ideen dazu hast.

 

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