Tag 63:
Zurück ins Glück

Wenn mir meine Gedanken in meinem Kopf herum kreisen und ein ziemlich verrücktes Gedankenkarussell spielen, dann gibt es ein paar Dinge, von denen ich weiß, dass sie mir helfen mich wieder auf mich selbst zu besinnen und Ruhe zu finden. Dazu gehören Yoga, Meditation und Laufen. Alle diese drei Dinge habe ich heute gemacht und so fühle ich mich gerade wieder viel klarer und sicherer in mir.

Ich habe meinen Morgen heute so begonnen, wie vor zwei Wochen auf Sylt: Mit einer guten Freundin, Yoga, Meditation, einem gesunden Frühstück und wundervollen Gespräche. Und auf einmal machte es Klick. Was hatte sich eigentlich in den letzten Tagen an mir verändert, dass ich mich emotional so niedergeschlagen und unbeteiligt fühlte? Die Wahrheit ist: An mir selbst hatte sich nichts verändert. Ich bin immer noch die selbe Person, mit dem gleichen Stärken-und-Schwächen-Profil. Das, was dazugekommen war, ist eine weitere Erkenntnis auf dem Weg meiner Selbstfindung. Eine Erkenntnis, die mich zurück in eine Gefühlslage wirbelte, die ich aus früheren Zeiten kannte. Funktionierend, nach außen stark und dennoch wie ein Außenstehender auf das eigene Leben schauend. Und in diesem Moment beschloss ich mich selbst wieder zurück in das Leben zu katapultieren, das ich mir in den letzten Jahren aufgebaut habe. Ein glückliches und erfülltes Leben einer starken, mutigen und reifen Frau. Mein heutiger Tag stand unter dem Motto mich darauf zu besinnen und meine positive Einstellung zum Leben nicht zu verlieren. Ich beschloss gleichzeitig mich der schweren Gefühle einer dunklen Vermutung des sexuellen Missbrauchs nicht zu verschließen, sondern diese anzunehmen. Wahrzunehmen, anzunehmen, aber mich nicht davon überrollen zu lassen. Denn so fühlte ich mich die letzten Tage. Ich fühlte mich von dieser Vermutung überrollt und meine Gedanken tanzten wild im Kreis und ich wollte unbedingt sofort Antworten und Wahrheiten finden. Stattdessen habe ich das Steuerrad meines Lebens heute wieder selbst in die Hand genommen und so werde ich kontrollieren in welcher Geschwindigkeit und auf welche Art und Weise ich mich diesem Thema stellen möchte.

Statt zu ehrgeizig zu sein und mich und meine Seele zu überfordern, habe ich mich entschieden meine Füße zurück ins Glück zu setzen und die Traumata der Vergangenheit wie ein Zimmer in einer schönen Wohnung zu betrachten, das aufgeräumt werden will.

Eine lange Zeit habe ich versucht alles Dunkel aus der Vergangenheit auszublenden und in Kisten zu packen. Diese Kisten verstaute ich in einer Art Abstellkammer, um mit meinen Problemen nicht mehr konfrontiert zu werden. Es war die Rumpelkammer einer sonst so schönen und geordneten Wohnung, in der ich alles abgestellt hatte, wofür ich in dem Moment keine Zeit und Kraft hatte es aufzuräumen. Ich verschloss die Tür, die Kisten staubten ein und obwohl sie da waren, vergaß ich sie. Ich wollte sie vergessen. Die Gefühle, die daraus hervor kommen würden, waren zu ernst, zu traurig und zu dunkel. Jetzt, nachdem ich in den letzten zwei Monaten bereits so viele Dinge in meinem Leben aufgeräumt und entstaubt habe, kann ich mir nun langsam und Stück für Stück die alten und verstaubten Kisten vornehmen, die ganz hinten in der Ecke des Zimmers stehen.

Ich fühle mich heute stark und stabil genug mich an diese alten Kisten heranzutrauen. In den letzten Wochen bin ich wahrlich schon ein ganzes Stück weiter gekommen und fühle mich in mir viel sicherer, zufriedener und selbstständiger als jemals zuvor. Ich muss keine Angst mehr vor Verletzungen oder Schwächen haben. Selbst wenn mir der kalte Wind mit Hagel ins Gesicht schlägt, weiß ich wie ich damit umgehen kann und welche Werkzeuge mir zur Verfügung stehen, um mich zu verteidigen. Ich habe keine Angst mehr mich selbst zu verlieren, wenn ich neue Seiten an mir entdecke. Ich bin mir meinem Kern viel klarer. Und vor allem weiß ich, dass ich auch wenn mich das Navi mal „offroad“ fahren lässt, ich wieder zurück auf die Spur finde. Egal was mir widerfährt, egal wie traurig und verstimmt ich vielleicht sein mag – das Gefühl und die Erinnerung an glückliche Momente ist wie mein Anker und mein Seil, das mich jederzeit zurück in mein Leben führt. Keine Hand und kein Helfer sind nötig, alles was ich dafür brauche liegt in mir.

Und aus dieser Stärke heraus kann ich mich immer mal wieder in die Abstellkammer meiner dunklen Emotionen wagen, eine Kiste aufmachen und schauen was dort zum Vorschein kommt. Keiner zwingt mich alle Kisten auf einmal zu öffnen und die bösen Geister der Vergangenheit alle zum gleichen Zeitpunkt freizulassen. Dies wäre wirklich gefährlich. Aber Schritt für Schritt und Kiste für Kiste kann ich es schaffen, auch diesen Raum meiner Wohnung aufzuräumen. Unter dieser Perspektive habe ich keine Angst mehr, mich meiner Vergangenheit auszusetzen. Die Erinnerungen an Vergangenes kann mir so nicht gefährlich werden, denn wann immer es mir zu viel wird, kann ich die Kisten wieder zu machen, die Tür hinter mir schließen und mir eine Pause während des Aufräumprozesses gönnen. Es ist ein Prozess, in dem ich zulassen muss traurig zu sein und mich hoffnungslos zu fühlen und im gleichen Atemzug zu wissen, dass und wie ich zurück auf meinem Weg zurück ins Glück finde. Ich bin flexibel in meinem Tun, meinen Gedanken und meinen Gefühlen.

Mit dieser Stärke und einer Werkzeugkiste voller Dinge, die mir helfen mein Inneres zu stärken, kann ich mich ausprobieren, mich vortasten, hinter den Vorhang schauen und einen Schritt vor den anderen wagen.

Diese Erkenntnisse ist so wichtig: Das was sich heute zeigen will, kann und darf sich zeigen, weil ich ein Stadium innerer Stärker, Zuversicht und Selbstvertrauen in allen Lebensbereichen gesammelt habe. Es ist schön mit dieser Zuversicht in die Zukunft zu blicken und zu wissen, dass dieser Berg, den man vor sich hat, mit ein bisschen Geduld und Ausdauer bewältigt werden kann.

Ich wünsche euch einen wunderschönen Samstagabend. Überlegt mal welche alten Kisten bei euch noch im Keller herum stehen und ob es langsam Zeit wird sie auszuräumen. Es ist nicht unbedingt ein einfacher und spaßiger Prozess, aber wenn ihr es bewältigt habt, habt ihr mehr Platz für schöne Dinge in eurem Leben.

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