Tag 41:
Lenk! Mich! Ab!

Eine Tingeltangel-Tour durchs Leben

Meine Angst vor dem Alleinsein und der Sorge davor, dem Chaos des Lebens schutzlos ausgeliefert zu sein, hat dazu geführt, dass ich nie so richtig alleine war. Ich war seit meiner Teeniezeit auf einer Tingeltangel-Tour mit Männern. War der eine weg, war der nächste da bzw. musste erst der nächste kommen und mich von dem letzten wegzutragen. Dieses Muster zog sich so durch mein Leben. Ich hatte den einen, um den anderen zu vergessen und den nächsten, um mich von der Zwischenlösung loszulösen. Was ich einmal hatte, tauschte ich maximal gegen etwas anderes ein. Jegliche Pausen des Alleinseins dazwischen waren ausgefüllt mit Sehnsucht nach dem nächsten Bindungsobjekt.

Ich weiß, dass viele aufgrund der Furcht vor der Einsamkeit so agieren. Lieber gemeinsam einsam, als so komplett für sich. Daher springen viele Menschen von einer Beziehung direkt in die nächste oder können die unglückliche Beziehung, in der sie leben, nicht beenden. Die eigenen Ängste zu bezwingen und das Alleinsein zu lernen, ist oft zu schmerzhaft. Es ist ein langes und tiefes Tal, das durchschritten werden will – mit vielen Hürden und Prüfungen. Doch alleine sein zu können ist der Schlüssel für eine erfüllende Partnerschaft. Nur wer alleine mit sich im Reinen ist, kann „clean“ in eine Beziehung starten – abseits jeglicher Abhängigkeiten.

Alleinsein will gelernt sein

Der Weg dahin war für mich lang und steinig – er dauert noch immer an. Hätte mich das Schicksal nicht immer wieder zurück allein auf die Straße gestellt und mich mit der Peitsche angetrieben, hätte ich mich all diesen Lektionen niemals augesetzt. Würde ich das Leben führen, dessen Drehbuch ich geschrieben hätte, wäre ich schon längst verheiratet und würde mit zwei süßen Kindern an meiner Seite ein idyllisches Familienleben führen. Denn das war mein Traum bis ich 20 Jahre alt war. Ich hätte mir viele Blessuren erspart, allerdings hätte ich nie gelernt wirklich eigenständig und unabhängig zu sein.

Denn auch, wenn ich unterbewusst oft nicht für eine richtige Beziehung bereit war, gab es irgendwo jemanden, der als Halte- und Ankerpunkt diente. Ein Licht am Ende des Horizonts, das mir das Gefühl gab, nicht ganz allein zu sein. Dieses Fünkchen Aufmerksamkeit, das ich immer mal wieder zu einer wärmenden Flame entfachen konnte.

Graben, tiefer graben!

Ich finde es extrem spannend, was alles so zu Tage tritt, wenn man nur tief genug gräbt. Die letzten Tage und Wochen waren so voller neuer Erkenntnisse. Einsichten, für die ich sonst Jahre gebraucht hätte. Ohne mein ONE YEAR NO GUY-Experiment und dem kontinuierlichen Schreiben von Blog-Posts, hätte ich niemals den Antrieb gehabt mich jeden Tag mit all diesen Themen auseinander zu setzen. Ich wäre schon längst wieder in irgendeine Liebschaft verstrickt und würde mich von meinen eigentlichen Problemen ablenken. Ablenkung in Form der lustig bunten Welt da draußen – mit all ihren Angeboten – ist heute ja auch so herrlich einfach. Vielleicht sind wir auch deshalb in vielerlei Hinsicht eine Gesellschaft kaputter Menschen. Zeit, in der wir gezwungen sind, uns mit uns selbst zu beschäftigen, weil es nichts anderes gibt, was wir tun können, gibt es spätestens seit der Erfindung des Fernsehers und seinem 24/7-Programm nicht mehr. Die Vielzahl der Apps, der ständige Leistungsdruck und ein unterschwellig vorhandener Dating-Zwang in der wenigen wirklich freien Zeit, tragen ihr Übriges dazu bei.

Früher war man noch allein, wenn keiner bei einem war. Heute müssen wir uns unserer Angst vor dem Alleinsein ja gar nicht mehr aussetzen. So richtig alleinzusein und nicht noch irgendwo eine unbeantwortete Nachricht zu haben, die dringend beantwortet werden will, müssen wir uns quasi erkämpfen. Irgendwie klingelt, pingt oder ruft irgendetwas doch immer an. Irgendjemanden können wir immer daten und in irgendetwas können wir uns ständig verstricken. Es ist so einfach uns in Details zu verheddern, damit wir vom großen Ganzen und von uns selbst abgelenkt sind. Und wenn nicht, dann gibt es ja immer noch Netflix und Co., die uns von unseren eigenen Bedürfnissen und Ängsten wegtragen und in andere Welten versetzen.

Licht an!

Und genau darum geht es. All die Ablenkungsquellen einfach mal auszuschalten und die Aufmerksamkeit nach innen zu richten. So viele von euch fragen mich, wie ich auf all die Erkenntnisse komme. Ich verrate euch den Trick: Ich setze mich hin, nehme mir Zeit, denke über mich nach und spüre in mich hinein. Das ist alles kein Hexenwerk. Es braucht nur etwas Übung, in einer Zeit wie der heutigen. Wenn man gewisse Dynamiken und Konzepte einmal verstanden hat, geht eine Glühbirne nach der nächsten an und bringt Licht ins Dunkel.

Ich kann euch daher nur ermutigen. Traut euch einfach mal alle Ablenkungsquellen abzuschalten und euch mal wieder ganz exklusiv Zeit für euch und euer Innenleben zu nehmen. Yoga und Meditation haben mir sehr geholfen zu lernen, meine Gedanken zu fokussieren und durch die Schmerzpunkte zu neuen Erkenntnissen zu kommen. Solche Techniken kann ich jedem sehr empfehlen. Vielleicht nehmt ihr euch einen Abend pro Woche. Handy aus, Laptop wegpacken und den Liebsten bzw. die Liebste auf ein Bier oder ein Glas Wein zu den Jungs oder Mädels schicken. Ein Abend Zeit zum Nachdenken und Reflektieren und das mit einer gewissen Regelmäßigkeit und ihr werdet sehen, wie viel sich in eurem Leben ändern wird. Nur ein Gedankenanstoß von einer Frau, die über Jahre getingelt ist, um ihre Probleme zu verdrängen. Alles kein Zwang.

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2 Gedanken zu „Tag 41:
Lenk! Mich! Ab!
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  1. Hallo

    ich bin gestern auf Deinen Blog “gestoßen” 🙂 und frage mich, was tust Du, wenn der Schmerz auch nach Tagen nicht nachlässt und nichts hilft weder annehmen noch meditieren. Du kannst einfach nichts tun- nicht essen, ablenken geht auch nicht und hast zu NICHTS Lust. Selbst nur atmen hält das Kopfkino nicht an.
    Bin gespannt.

    1. Hallo und vielen Dank für deine Nachricht! 🙂

      Ich weiß sehr gut was du meinst. Früher hatte ich solche Momente auch immer mal wieder – das Gefühl, dass man keine Kontrolle über das eigene Leben und die eigene Gefühlswelt hat, hat mich oft kirre gemacht. Tatsächlich habe ich im Verlauf meiner Reise gemerkt, dass ich meist nur eine andere Perspektive finden muss, um meine Situation mit anderen Gedanken anders bewerten zu können. Die Methode “The work” von Byron Katie hat mir sehr dabei geholfen diese anderen Perspektiven ganz einfach und schnell zu finden. Im Artikel zu Tag 353 einfach mal aus.

      Ganz liebe Grüße und viel Erfolg,
      Lena

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