Tag 38:
Der Weg ist das Ziel!
(Loslassen von Erwartungen Teil 4)

Manche von euch fragen sich vielleicht ob ich auch irgendwann mal fertig mit dem Thema Loslassen von Erwartungen werde… 😉  Ein bisschen müsst ihr noch durchhalten. Das Thema ist einfach wahnsinnig komplex. So viel, was mein Leben heute auszeichnet, basierte auf dem Gefühl, dass es von mir erwartet wird. Hier ist einiges aufzuräumen. Deshalb geht es auch heute in Teil 4 weiter mit Erwartungen im Bereich Sex.

Ich habe vor Jahren ein Experiment gesehen, in dem beide Partner über Wochen jeden Tag Sex miteinander haben mussten. Beide waren am Ende total genervt davon. Es war Sex aufgrund von Erfüllungsdruck, anstatt auf Basis sexueller Lust und gelebter Leidenschaft. Sobald Sexdruck entsteht, kann der sonst so aufregende Zeitvertreib, schnell zum stressbehafteten Problemkind werden. Dass das keinen Spaß macht und mehr Leid als Lust erzeugt, ist einfach nachzuvollziehen.

Aus meiner Sicht haben wir – teils vorgelebt von der Pornoindustrie, teils aufgrund von dem von der Wirtschaft propagierten Performancedruck – auch beim Sex und bei unseren Beziehungen einen ergebnisorientierten Leistungsdruck entwickelt. Unsere ganze Sexualität dreht sich um Befriedigung und Orgasmen. Alles auf dem Weg dahin ist irgendwie nichts. Die einzigen KPIs (=Key Performance Indicator, Leistungskennziffer) in der Horizontale sind die Anzahl der Orgasmen oder der Runden. Das ist vergleichbar und kann bewertet werden. Bist du gekommen? Na dann ist ja alles gut!

Dabei ist das Genießen von Küssen, Fummeln und all den aufregenden Zwischenstufen auf dem Weg zum Sex oft so viel reizvoller. Sobald man Sex hat, weiß man wie es enden wird. Egal wie viele Orgasmen auf dem Weg auf einen warten. Sobald man dort angekommen ist, ist die Zielgerade schon in Sichtweite. Das Eindringen ist quasi der Anfang vom Ende. Es sind all die Dinge dazwischen, die Sex besonders machen. Es ist das lecken, beißen, riechen, schmecken, saugen, kitzeln, kneifen, streicheln, hauchen, etc., die die schönste Nebensache zu dieser machen. Es sind die Momente wenn sich Erwachsene auf dem Spielplatz treffen und miteinander spielen. All das macht Sex zu tollem Sex und grenzt sexuelle Zweisamkeit von den Orgasmen ab, die ich auch mit meinem Spielzeug oder meinen Fingern erleben kann. Daher: Ich will spielen, statt Leistungsdruck. Ich will Weg statt Ziel.

Versetzt euch kurz zurück in eure Teeniezeit. Die Momente in denen man nicht wusste, was als nächstes passiert und wie weit man heute gehen wird. Der Nervenkitzel war groß, weil man eben nicht wusste wie das Ziel aussieht. Sich gegenseitig zu erforschen und zu entdecken wie der eigene Körper sowie der des anderes funktioniert. Alles war so aufregend.

Ich möchte den Erwartungsdruck hinter mir lassen, ständig Sex haben zu müssen und bloß auch fleißig zu kommen. Stattdessen möchte ich Intimität mit einem „Alles kann, nichts muss“-Gefühl. Ich möchte wieder entdecken und auch einfach nur einen ganzes Abend küssend und fummelnd auf der Couch liegen, statt direkt „all in“ zu gehen und danach einen Haken dahintersetzen zu können. Ich will nicht nur das Ergebnis. Ich will den Weg zum Ziel auf jedem Meter genießen. Ich will wieder Kribbeln im Bauch und diese Spannung des offenen Ausgangs. Leistungsdruck hab ich im beruflichen Kontext genug. Im Privatleben möchte ich zwanglos sein.

Von daher – ihr dürft ja im Gegensatz zu mir. Genießt doch einfach mal wieder die einfachen Dinge und die sexuellen Zwischenstufen. Ich freue mich in Gedanken darauf – es sind ja nur noch 11 Monaten. Auweia, ist das lang… Naja, ich werde es schon irgendwie schaffen!

P.S.: Hier die direkten Links zu den ersten Teiles des Themas “Loslassen von Erwartungen”:

Teil 1 “Lernen Nein zu sagen”

Teil 2 “Ich erlaube mir mich abzugrenzen”

Teil 3: “Sex sells”

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