Tag 37:
Sex sells
(Loslassen von Erwartungen Teil 3)

Nachdem ich euch gestern einen tiefen Einblick in meine Abgrenzungsproblematik gegeben habe, geht es heute mit dem nächsten Glaubenssatz weiter, um das Thema Loslassen von Erwartungen umfassend zu betrachten.

Glaubenssatz 2: Ich bin nicht genug.

Ich würde von mir behaupten mit einem relativ geringen Selbstwertgefühl sowie mit einem hohen Maß an Unsicherheit aufgewachsen zu sein. Beides versteckte ich hinter guten Noten und einem hübschen Äußeren. Denn bei beidem hatte ich das Gefühl, dass es von mir erwartet wird. Es war der Versuch meine gefühlten Unzulänglichkeiten wie Hautunreinheiten mit einem guten Make-up zu überdecken.

Als Kind war ich eine gewisse Zeit ziemlich mollig und hatte eine Brille. Wenn ich alte Bilder von mir sehe, kann ich daran kein hübsches Kind erkennen. Dies verwuchs sich zum Glück ab der 6.Klasse und die überzähligen Pfunde verteilten sich auf meine Länge. Dennoch hatte ich über Jahre und Jahrzehnte das Gefühl das kleine, dicke und hässliche Mädchen zu sein. Es war das Körpergefühl, dass ich als Kind entwickelt hatte und das meine ganze Teenagerzeit sowie die Jahre meines jungen Erwachsenenlebens prägten.

Mein Körper kam mir mangelhaft vor. Wenn ich vor dem Spiegel stand entdeckte ich überall Stellen, die nicht den Modelvorbildern aus den Zeitschriften entsprachen. Noch dazu waren viele meiner Ex-Freunde wunderhübsche Männer mit Adonis-Körpern. Im Vergleich mit ihnen, fühlte ich mich oft noch defizitärer.

Da ich mich in meinem Körper nicht wohlfühlte und ihn als wenig attraktiv einstufte, fand ich mich auch sexuell wenig begehrenswert. Daher dachte ich meine – aus meiner Sicht – mangelnde sexuelle Anziehungskraft über eine gewisse sexuelle Offenheit und Abenteuerlust ausgleichen zu können bzw. zu müssen. Meine Ex-Freunde hatten regelmäßig Wünsche frei, die ich ihnen erfüllte. Ein „Nein“ gab es bei mir quasi nicht. Und mein oberstes Ziel war es, dass nur keine Langeweile im Bett aufkam. Meine Bedürfnisse ordnete ich – mit dem Ziel des Gefallens – denen meines Gegenübers unter. In meinem Schlafzimmer herrschte wie in allen Bereichen meines Lebens Perfektionismus und Leistungsdruck. Beides Begriffe die ich gerade beginne hinter mir zu lassen.

Mit meiner Experimentierfreude im Bett überdeckte ich die Sorge, nicht gut genug zu sein. Sex wurde für mich zu der wichtigsten Säule meiner Liebenswürdigkeit und vor allem band ich mit Sex Männer an mich. Ich wusste schließlich, dass dies mein Ass im Ärmel war. Daher wurde Sex für mich in einer Beziehung so immens wichtig und die sexuelle Güte wurde für mich zum Qualitätsmerkmal einer Beziehung. Wenn über die Zeit der Sex weniger aufregend wurde und die Sexfassade bröckelte, zweifelte ich auch an der Partnerschaft. Schließlich fiel eine für mich so wichtige Säule weg, auf die ich mein Vertrauen setzte, dem anderen zu genügen. Entfiel der Sex, dann fehlte mir sozusagen meine Daseinsberechtigung und mein Verkaufsargument. Die Angst vor Verletzung und Zurückweisung nahm zu. Das Gefühl nicht genug zu sein, kam wieder hervor und schaffte Anspannung, die zu Unsicherheit und Streit führte. Das Motto „Sex sells“ galt somit auch für mich. Sex wurde zu meiner Währung in Liebesangelegenheiten. In meinem Kopf existierte die Logik: “Ich erfülle dir deine Wünsche, bitte bleib dafür bei mir und verlass mich nicht.“

Aber: Nur weil wir Sex haben können, bedeutet das nicht, dass wir Sex haben müssen. Allerdings ging keinen Sex zu haben aus meiner damaligen Perspektive mit dem Verlust meiner Liebenswürdigkeit einher. Ein „Nein Schatz, ich habe heute keine Lust.“ wäre eine Abgrenzung gewesen, die ich gelernt hatte, mir nicht erlauben zu dürfen. Stattdessen machte ich mit und ließ es geschehen. Das unschöne Gefühl dabei war besser, als mit den Geistern meiner Verlustangst konfrontiert zu sein. Es ist genau dieses Muster, das mich im letzten Jahr dazu brachte Sex zu haben, den ich nicht wollte. Ich hatte das Gefühl, dass genau dies von mir erwartet wird und ich sonst nicht genug wäre. Meine Tränen waren auch zu einem großen Teil diesem alten Kompensationsmechanismus geschuldet, der mein Gefühl ungenügend zu sein mit sexuellen Gefälligkeiten und dem Funktionieren im Bett überspielte.

Heute habe ich zum Glück ein anderes Körpergefühl. Ich liebe jeden Zentimeter meines Körpers und ich bin mir bewusst, dass ich in jeder Hinsicht genüge. Ich weiß jetzt, dass ich innen wie außen gut und richtig bin. Und vor allem weiß ich, dass ich Nein sagen, mich abgrenzen und meine Bedürfnisse äußern darf. Nur so bin ich in der Lage eine gesunde Beziehung zu führen. Nur wenn ich mir erlaube ich selbst zu sein, werde ich es schaffen mich nicht eingeengt zu fühlen und dabei mich selbst und meine authentische Leichtigkeit zu erhalten.

P.S.: Direkter Link zu Teil 1 zum Thema Loslassen von Erwartungen: “Lernen Nein zu sagen” und zu Teil 2 “Ich erlaube mir mich abzugrenzen”

 

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