Tag 265:
Körperkampf? Nein danke!

Heute bin ich nach einer langen Pause von mehr als zwei Monaten das erste Mal wieder eine kleine Runde Joggen gegangen und wollte euch einen Einblick in meine Erkenntnisse und Erfahrungen aus meiner Sportpause geben. Denn: Ich staune gerade selbst enorm was ich dadurch über mich und meinen Körper gelernt habe.

Früher war für mich allein die Vorstellung länger als zwei Tage keinen Sport machen zu können der absolute Horror. Da mein Ego so sehr an meinem hübschen Äußeren und einem fast perfekten Körper hing, war ich so sehr mit meiner äußeren Form identifiziert, dass in mir förmich Ängste aufstiegen, wenn sich etwas meinen gewohnten Sportroutinen in den Weg stellte. Die Angst, dass ich „dicke“ Oberschenkel bekommen könnte oder meinen knackigen Po zu verlieren war immens. Wie oft habe ich vor dem Spiegel gestanden und geschaut ob meine Oberschenkel gerade ein wenig Fett angesetzt haben. Und damit meine ich die 10g Fett, die man nur selbst und unter der Lupe sieht. So oft habe ich mich wegen meines Körpers fertig gemacht und gedacht, dass ich nicht liebenswert wäre, wenn ich auch nur das kleinste bisschen zunehmen würde. Denn mein Körperideal entsprach mehr dem eines durchtrainierten harten Männerkörpers, als einer gewissen Weichheit, die einen Frauenkörper ausmacht.

Eigentlich versuchte ich jeden Tag Sport zu machen – einen Tag Laufen, den anderen Training für Bauch, Beine, Po und Arme. So hatte ich mir über die Jahre eine ganz ansehnliche Sportlerinnenfigur erarbeitet und war wahnsinnig stolz auf meinen schlanken Bauch und meinen knackigen Po. Genau dafür bekam ich immer wieder Komplimente, die meinen Selbstwert pushten. Und je mehr ich davon bekam, desto mehr wurde ich von der Aufrechterhaltung dieser schönen Form abhängig. Ich hatte nicht eine schönen Körper, ich war dieser schöne Körper. Ihn aufzugeben bzw. nur in Gefahr zu geraten ein paar klitzekleine Gramm zuzunehmen, war deshalb für mich undenkbar. Wenn ich entscheiden musste ob ich mehr schlief oder mehr Sport machte, entschied ich mich in der Regel für Letzteres. Solange bis ich einfach nur noch platt war.

Vor etwas mehr als zwei Monaten hatte ich dann länger Probleme mit meiner Lunge. Der Husten wollte einfach nicht verschwinden und ich hatte kaum Kraft einen Schritt vor den anderen zu setzen – an Sport war nicht im Entferntesten zu denken. Am Anfang hatte ich immer wieder den Gedanken: Wann bin ich wieder gesund? Wann kann ich endlich wieder Sport machen? Doch ich erkannte was dahinter steckte: Mein Ego war hier am Steuer. Und diesem waren mein Aussehen wichtiger als mein Wohlbefinden. Als ich das erkannte, schickte ich mein Ego in den Sommerurlaub. Ich wollte mich ganz absichtlich von meinem Äußeren entidentifizieren und entschied mich deshalb meinen Körper nicht mehr zum Sport zu zwingen, sondern mich zur Abwechslung einfach mal nur so zu bewegen, wie und wann mein Körper Lust darauf hatte. Statt meinen täglichen Routinen, machte ich längere Spaziergänge und versuchte jeden Tag bzw. zumindest im Wochendurchschnitt auf 10.000 Schritte zu kommen. Ich erlaubte mir nicht immer funktionieren zu müssen, so wie mein Ego es will, sondern mehr auf die Bedürfnisse meines Körpers und meiner Seele zu hören. Ich habe einfach aufgehört meinen Körper so modellieren zu wollen, wie ich ihn haben will und angefangen ihn so sein zu lassen, wie er sein möchte. Es war ein weiterer Schritt einer wundervollen Transformation in meinem Inneren. Denn wie ihr auf dem Vorher/Nachher-Bild sehen könnt, hat sich an meiner Figur tatsächlich nur sehr wenig verändert (links ist vor ca. 10 Wochen, rechts ist heute).

Seitdem ich aufgehört habe jeden zweiten Tag Laufen zu gehen, habe ich vielleicht 1 oder 2 cm Hüftumfang dazu gewonnen, die man nur sieht, wenn man ganz genau hinschaut – wenn überhaupt. Was ich dagegen gewonnen habe ist eine ganz andere Leichtigkeit mit mir und meinem Körper umzugehen, genauso wie eine Tonne Lebensfreude und ganz viel Zeit für mich und mein Wohlbefinden. Die Langsamkeit eines langen Spaziergangs passt gerade einfach viel besser in meinen Lebensrhythmus, als das schnelle „an der Natur vorbei rennen“. Und die Zeit, die ich früher zwanghaft in meine Sportroutinen investierte, habe ich stattdessen mehr in Meditation, Yoga und Selbstreflexion gesteckt.

Wenn ich heute zurückschaue, dann kann ich es selbst nicht glauben wie oft ich mich gequält habe, um meine strengen Sportroutinen aufrecht zu halten, wenn ich sehe wie gering der Unterschied sein kann, der innerhalb von zwei Monaten zu Tage tritt. Wie viel Kraft und Zeit ich investiert habe, um etwas vergängliches in Form zu halten, anstatt die Zeit lieber in mein Wohlbefinden zu stecken – wie auch immer das aussehen mag. Früher waren schon ein oder zwei Tage, die aus meinem Sportrhythmus war, eine wahnsinnge Qual für mich. Ich merkte dann immer wie ich hibbelig und unruhig wurde und in der Tat Angst bekam, wenn ich mich nicht ausreichend bewegen konnte. Es war mein Ego, das hier unruhig wurde, denn es hatte viel zu verlieren. Und diese aufkommende Unruhe in mir trieb mich immer wieder in die Laufschuhe und raus nach draußen.

In den letzten Wochen habe ich mich und meine Gefühle und Gedanken hinsichtlich des Themas Sport ganz genau beobachtet und analysiert. Immer wenn eine gewisse Unruhe aufkam und ich das Gefühl hatte, mal wieder Sport machen zu müssen, stellte ich mir folgende Frage:

Würde es mir gerade gut tun mich zu bewegen und Sport zu machen oder würde es nur meinem Ego gut tun?

Wenn die Antwort Letztere war, dann ließ ich es. Merkte ich, dass ich gerade wirklich Lust auf Bewegung hatte, dann spürte ich in mich hinein welche Art und Intensität mir gerade gut tun würden. Und genau dieser Art von Aktivität ging ich dann nach.

Ich kann euch sagen, insbesondere am Anfang war das nicht so ganz einfach. Was ich aber damit trainiert habe war der „Bei mir bleiben“-Muskel. Und genau den brauche ich für mein Glück und meine Gesundheit in der Tat mehr als kräftige Bauchmuskeln oder einen Knackarsch. Wenn ich heute Lust habe Sport zu machen, dann mache ich Sport. Wenn ich es nur tue, um meinen Körper in Form zu biegen oder zu halten, lasse ich es. Ich habe aufgehört gegen meinen Körper zu kämpfen. Stattdessen lebe ich heute mit ihm in einer wunderschönen und liebevollen Verbindung.

Ich habe erkannt, dass mein Körper mir erst den Zugang und das Leben in dieser Welt ermöglicht. Doch er ist kein Werkzeug, dass ich ausbeuten kann, bis er krank und kaputt ist. Denn zumindest in diesem Leben habe ich nur den einen und kann ihn nicht austauschen. Wie alles was ich tue, sollte ich auch meinen Körper voller Liebe und Wohlwollen betrachten und ihn dazu einsetzen liebevolle Handlungen in dieser Welt zu unternehmen.

Einige werden jetzt denke:” Ja, aber wenn ich das mache, sitze ich nur noch auf der Couch und Esse Kartoffelchips.“ oder „Wenn ich das mache, werde ich fett.“ Aber genau darum geht es nicht. Jeder Köper will gesund sein, wenn er die Wahl dazu hat und er frei von gewissen Schatten der Seele ist, die sich auf ihm abbilden. Und jeder gesunde Körper hat einen gesunden Drang sich zu bewegen. Wenn wir uns so annehmen wie wir sind und das lösen, was uns eigentlich auf der Couch und an den Chips oder Süßigkeiten hält, dann haben wir auch Lust rauszugehen und uns zu bewegen. Vielleicht macht es uns keine Freude jeden Tag joggen zu gehen, aber ein Spaziergang an der frischen Luft, eine Runde mit dem Fahrrad oder welche Form der Bewegung auch immer DIR Spaß macht. Wenn wir beginnen in Einklang und Resonanz zu leben, anstatt immer zu kämpfen, hört das selbst gewählte und selbst erschaffene Leid auf. Indem du deine zwanghaften Routinen loslässt, gibst du dir die Chance deinen eigenen Rhythmus zu finden und in Übereinstimmung mit deinen Bedürfnissen zu leben.

Menschen, die mit sich zufrieden sind, strahlen. Das Glück, das sie in sich spüren inspiriert andere. Und wenn wir ehrlch sind, werden wir von perfekten Körpern vielleicht visuell angezogen. Aber unser Herz verliebt sich in einen Menschen, der Glück ausstrahlt und mit sich im Reinen ist. Wenn du also versuchst attraktiv zu sein, dann nimm dir Zeit gut zu dir zu sein, glücklich zu und bei dir anzukommen. Es gibt nichts Anziehenders. Und wenn du tatsächlich auf einen Menschen triffst, der dich wegen ein paar Gramm mehr auf der Waage nicht attraktiv findet und deshalb nicht mit dir zusammen sein will, dass willst du diesen Menschen gar nicht in deinem Leben. Doch wenn du auf Oberflächlichkeiten gepolt bist, wirst auch du Menschen anziehen, denen die Oberfläche wichtiger ist als dein Kern.

P.S.: Ich empfehle jedem, dem ein natürliches Bedürfnis nach gesunder Bewegung fehlt, zu schauen was dahintersteckt, wenn er/sie sich zum Beispiel in seiner Wohnung verkriecht oder sein Leben im Übermaß mit Süßigkeiten versüßt. Auch Menschen, die Sport zwanghaft und exzessiv betreiben, empfehle ich sich diese Routinen und ihre Motivationen dazu einmal genauer anzuschauen (ins. wenn dadurch Leidensdruck oder Krankheiten entstehen). Oft stehen dahinter Nöte der Seele, die ein gesundes und glückliches Leben im Einklang mit deinem Körper blockieren und die es zu lösen gibt. Schreib mir gern unter lena.lamberti@oneyearnoguy.org wenn du Fragen dazu hast.

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