Tag 264:
Frauensachen

Gerade sprudeln die Gedanken und Erkenntnisse einfach aus mir heraus. Daher gibt es heute schon wieder einen neuen Post. Diesmal über das Annehmen meiner Weiblichkeit und damit einhergehend von Schwäche und meinen weichen und sanften Seiten. Das klingt auf den ersten Blick daher wie ein Post für Frauen, aber liebe Männer, wenn es euch gelingt das Thema in eurem Kopf ein wenig umzudrehen, könnt ihr sicher auch etwas für euch daraus mitnehmen. 😉

Es viel mir immer wahnsinnig schwer meine weiblichen und weichen Seite anzuerkennen – auf körperlicher wie emotionaler Ebene. Ich liebte es zwar, die weiblichen Teile meines Körpers in Szene zu setzen und damit Aufmerksamkeit zu erschaffen, aber die schwachen und weichen Aspekte meines Wesens konnte ich nur ganz schwer lieben. Ich wollte in vielem so hart und durchsetzungsfähig sein wie ein Mann. Meine Schwächen unterdrückte und überspielte ich. Ich wollte sie einfach nicht wahrhaben. Das weibliche Rollenvorbild in meinem Leben – meine Mama – habe ich einfach immer mit so viel Schwäche wahrgenommen, dass es mir unaushaltbar schien mich als Frau mit dieser Schwäche zu identifizieren. Ich übernahm in unserer kleinen Mutter-Tochter-Familie daher den männlichen Part – funktionieren, stark sein, kämpfen und nicht über meine Bedürfnisse, Sorgen, Gefühle und Ängste sprechen. Genau deshalb kämpfte ich immer so sehr um alles. Kämpfen entspringt eher der männlichen Yang-Energie als der weiblichen Yin-Energie in uns.

Vor einigen Tagen habe ich ein Zitat darüber gelesen, dass mich zum Nachdenken gebracht hat:

“Wir alle sind zu 50% weiblich und zu 50% männlich.“

Ich dachte nur: „Wow, so habe ich das noch gar nicht gesehen.“Aber es ist so wahr – wir entstehen aus Samen- und Eizelle und bekommen von unserem Vater wie unserer Mutter je zur Hälfte unsere genetische Information. Nur unser Aussehen ist in der Mehrheit der Fälle durch einen dieser Phänotypen bestimmt. Und auch hier gibt es unendliche viele Abstufungen in der Ausprägung. Es gilt dies anzuerkennen. Nicht nur gewisse Eigenschaften des eigenen Geschlechts, sondern auch zu erkennen, das jeder auch die andere Seite in sich trägt.

Im traditionell-chinesischen ist keine Kategorisierung für sich feststehend. Alles ist relativ und miteinander in Beziehung. Etwas kann Yang sein, aber in der Relation zu etwas anderem Yin. Etwas kann Yin sein und gleichzeitig wieder bestimmte Yang-Aspekte in sich tragen. Und so hat auch alles weibliche in sich wieder gewisse männliche Aspekte inne und umgekehrt. Eine Frau ist daher nicht nur weiblich und ein Mann nicht ausschließlich männlich. Und das gilt es sich einzugestehen. Jede Frau und auch jeder Mann kann und muss daher aus ihrer/seiner Natur heraus schwach und stark zugleich sein – annehmen und für etwas kämpfen. All diese Eigenschaften dürfen und müssen in uns ineinander übergehen, damit wir einen gesunde Flexibilität zwischen den Polen in uns tragen. Radikalität und Einseitigkeit sind hier in jeglicher Form – wie überall im Leben – fehl am Platz.

Früher fehlte mir diese Erkenntnis und daher orientierte ich mich eher an männlichen Körperschemen und Karrieremodellen. An meinen Körper wollte ich immer unbedingt am liebsten kein Gramm Fett haben, weil der Männerkörper, den ich damals liebte auch nur aus Muskeln bestand und so wundervoll fest und definiert war. Meine weiblichen Rundungen lehnte ich daher komplett ab und rutsche dadurch in zwanghafte Sportroutinen – nur um meinen Körper in die Form zu biegen, von der ich dachte, dass sie erstrebenswert wäre und mich liebenswerter machen würde.

Ich fand es in dem Zusammenhang auch immer total skurril, wenn andere Frauen so offen darüber sprachen, dass sie gerade ihre Tage haben und deshalb nicht so fit sind. Für mich war das immer das absolute Scham-Thema. Ich wollte meine Periode immer am liebsten abschalten. Es war mir einfach nur lästig und brachte mich immer einmal im Monatt mit dieser schwachen und nicht immer bestens funktionierenden Seite mit mir in Verbindung. Meinem Freund zu sagen „Ich habe gerade meine Tage, wir können gerade nicht miteinander schlafen.“ war mir immer so unangenehm, dass ich irgendwann anfing die Pille im Langzeit-Zyklus zu nehmen und daher nur ca. zwei Mal im Jahr mit diesem Thema konfrontiert war. So war meine Lebens- und Liebesführung davon nicht beeinflusst und ich fühlte mich besser, weil ich weiterhin stets funktionieren konnte und nicht von so Lappalien wie körperlichen Beschwerden beeinflusst war. Denn wenn ich ehrlich bin, hatte ich bei meinen damaligen Mustern auch einfach Angst im Bett nicht zu funktionieren und „zur Verfügung“ zu stehen. Meine Periode zu haben, kratzte an meinem Selbstbild einer Frau, die sich in einer Beziehung vor allem über ihre gelebte Sexualität definierte.

Für die Männerwelt ist das Thema der weiblichen Periode wahrscheinlich am ehesten vergleichbar mit der Prostatauntersuchung. Wenig attraktiv und eher mit Schamgefühlen und einer gewissen Peinlichkeit besetzt und doch gehört es ab einem gewissen Alter zum Mannsein einfach dazu. Auch wenn keiner gern darüber spricht. Doch zum vollkommenen Annehmen des eigenen Geschlechts gehört es eben auch, die unangenehmen Sachen anzunehmen, die damit zu tun haben. Und das hilft uns wiederum diese Aspekte auch bei anderen anzunehmen.

So wie ich nämlich Probleme hatte Schwäche und Weichheit bei mir anzunehmen, lehnte ich diese Seiten auch bei anderen ab. Erst als ich anfing mir selbst zuzugestehen schwach sein zu dürfen und nicht immer funktionieren zu müssen, konnte ich auch andere Menschen in ihrer Gänze und mit all ihren Schwächen lieben.

Vor ein paar Wochen habe ich meine Pille abgesetzt, weil ich sie in meiner Zeit der Abstinenz ja gerade nicht brauche und einfach mal sehen wollte, wie ich mich ohne fühlte. Es dauerte eine Zeit bis mein normaler Rhythmus wieder in Gang kam. Aber seit gestern habe ich tatsächlich zum ersten Mal seit Jahren nach meinem ganz normalen Rhythmus und ganz ohne äußere Hormoneinwirkung meine Tage.

Ich merkte wie unangenehm ich die Schmerzen in meinem Unterbauch zuerst fand. Doch irgendwie freute ich mich auch darüber und ließ meine Weiblichkeit einfach zu – mit aller Schwäche und allem Schmerz, die da nun auch immer Mal wieder in regelmäßigen Abständen dazugehören.

Allein die Tatsache, dass ich das so offen kommuniziere, wäre früher ein absolutes Unding für mich gewesen. Für mich war es immer wahnsinnig schwierig über solche Frauenthemen zu sprechen. Ich nahm meine Weiblichkeit nicht an und wollte auch nicht, dass andere mich damit identifizierten. Ich glaube, dass ich Sex auch ganz oft eher wie ein Mann als eine Frau hatte – nur mit einem weiblichen Gefühlsmuster dazu. Ich war im Bett total die Macherin, die zeigen wollte was sie kann und dafür bewundert werden wollte. Die annehmenden und sich völlig hingebenden weiblichen Eigenschaften fielen mir schon immer schwer.

Heute habe ich nicht mehr das Gefühl diese weibliche Seite von mir verstecken zu müssen. Ich habe verstanden, dass sie einfach zu mir gehört und nehme sie an. Ich habe tatsächlich gerade zum allerersten Mal das Gefühl, dass ich mich und meinen Körper komplett so annehme wie ich bin. Mit allem was dazu gehört und ohne etwas zu unterdrücken. Seit zwei Monaten war ich außerdem nicht mehr joggen. Ich habe aufgehört für eine bestimmte Figur und bestimmte Äußerlichkeiten zu kämpfen. Stattdessen lass ich mich einfach mal so sein, wie ich gedacht bin.

Das ist ein wunderschönes und befreiendes Gefühl. Das erste Mal darf ich einfach so sein, wie ich bin. Nicht nur bezogen auf meine weibliche Anatomie, sondern auch mit allem anderen, was meinen Körper und meine Gefühle betrifft. Ich habe das Gefühl noch nie so sehr bei mir und mit mir verbunden gewesen zu sein, wie ich es gerade fühle. Ich reife gerade zu einer erwachsenen Frau heran, lasse das zu und bin stolz darauf. Viel mehr in mir als in möglichen Erwartungen eines Außens. Das Gefühl, das mir das vermittelt ist sehr schwer zu beschreibend. Es ist eine Mischung aus Glück, Stolz, Erleichterung, Freude und ganz viele Friede und Freiraum. Und irgendwie fühle ich mich trotz aller Schwäche gerade stärker als je zuvor – weil ich es endlich zulasse, statt wie früher immer so viel Energie dafür aufzubringen es zu unterdrücken.

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