Tag 262:
Liebe ist…

Eckhart Tolle sagt in seinen Büchern, dass man auch einen Stein lieben könne, wenn man ihn nur oft genug liebevoll betrachtet. Genau diese Tatsache hat mich gestern Abend zum Nachdenken gebracht. Wenn ich einen Stein lieben kann, inwieweit kann ich mir dann auch „einreden“ eine andere Person zu lieben. Und was sagt die Tatsache eine Person zu lieben eigentlich über meine Beziehung zu ihr aus? Genau diesen Fragen möchte ich im heutigen Text nachgehen.

Liebe ist wie du vielleicht schon gelesen hast mein Allheilmittel und meine Wunderwaffe gegen alles Böse. Wenn es mit einem Menschen oder einer Situation strubbelig ist, versuche ich daher mein Herz ganz weit zu öffnen, dem Ganzen voller Liebe zu begegnen und allen Groll oder Unmut in mir in diese positive Energie zu verwandeln. Ich stelle mir in meinen Meditationen dabei vor meinen ganzen Körper und alle meine Gedanken mit Liebe auszuleuchten, öffne mein Herz-Chakra oder habe kleine Mantras, die sich um Liebe und Vergebung drehen.

Genauso habe ich es in den letzten Wochen und Monaten auch mit besagtem Ex-Kollegen gemacht, wenn er mal wieder meine Gedanken okkupierte und meinen inneren Friede aus dem Gleichgewicht brachte. Ich meditierte jeden Groll und jede Enttäuschung weg und machte meinen Frieden mit der Situation. In meinen Affirmationen sage ich dann Sätze wie: „Ich liebe dich und vergebe dir. Bitte vergib auch mir. Ich wünsche dir alles Gute. Mögest du glücklich sein.“ Dabei breiten sich Wohlwollen, Liebe und Mitgefühl in mir und gegenüber dieser anderen Person aus. Es hilft mir diesen Menschen in einem liebevollen Licht zu sehen und nicht aus Wut oder Ablehnung zu reagieren, sondern zuerst wieder bei mir anzukommen, meinen Frieden damit zu machen und wenn dann noch nötig aus diesem Frieden und dieser Liebe heraus zu agieren, anstatt emotionsgeladene Kurzschlussreaktionen zu unternehmen, die ich später bereuen würde.

Daher frage ich mich gerade inwieweit meine Zuneigung ihm gegenüber auf realen Gegebenheiten beruht bzw. inwieweit sie auf meine spirituelle Praxis zurückzuführen ist. Inwieweit beruht die Liebe, die ich einer Person gegenüber empfinde, auf ihrem Wesen und wie sehr entsteht sie auf Basis meiner eigenen Einstellungen und Hoffnungen in diesem Moment. Gibt es diese Trennung überhaupt?

Ganz ähnlich zu Affirmationen ist es in der ersten Kennenlernphase ja auch mit so kleinen Fantasien über gemeinsame Momente, Gespräche und Unternehmungen, die man entwickelt wenn man jemanden mag und sich mit ihm mehr vorstellen könnte. Wenn man im Kopf beginnt in die Zukunft zu reisen und sich vorstellt, wie es wohl mit dieser Person dort wäre. Ich baute dann immer recht schnell kleine Luftschlösser und hoffte, dass mit diesem Mann endlich alles gut werden würde. Damals dachte ich noch, dass eine glückliche Liebe und eine langfristige Beziehung mit einem Menschen mich von meinem eigenen Leid erlösen könnten.

Man fantasiert sich dabei in Momente, die in der Realität noch gar nicht stattgefunden haben. Und weil in unserem Kopf alles möglich ist, sind diese kleinen Tagträume in der Regel recht angenehm, aber auch realitätsfremd. Gerade frage ich mich, wie oft ich mich in meinem bisherigen Leben viel mehr in meine subjektiv eingefärbten und hoffnungsvollen Fantasien verliebt habe, als in die Person selbst – nur weil ich so oft schöne gemeinsame Momente mit dieser Person in meinem Kopf erlebt habe.

Dinge, die wir uns vorstellen, erzeugen einen sehr ähnliche Hormonausschüttung, als wenn wir die Situation in der Realität erleben. Wenn ich also romantische Vorstellungen von der Person habe oder darüber fantasiere, mit ihr/Ihm zu schlafen, dann setzt auch das gewisse Hormone in mir frei, die daraufhin meine Gefühls- und Wahrnehmungswelt beeinflussen. Ich stelle daher gerade die Hypothese auf, dass die Gefühle, die ich gegenüber einer Person empfinde, ihren Ursprung zu großen Teilen in meinen Gedanken beginnen und ebenso von der darauf beruhenden Wahrnehmungsverzerrung beeinflusst sind. Und dabei rede ich von positiven sowie negativen Gefühlen gegenüber einer anderer Person.

Wenn ich das auf meine Männergeschichten übertrage, dann war meist die Hoffnung die Mutter der Gedanken. Die Gedanken trugen mich in eine Fantasiewelt, auf Basis derer ich Gefühle entwickelte – ganz unabhänig davon, wie ich mit dieser Person in der Realität auskam. Bei mir hat das oft eine gewisse Bereitschaft ausgelöst, um die andere Person zu kämpfen. Ich wollte die wunderschönen Gedanken, die ich mit ihr hatte, gern auch in der Realität erleben. Ich hoffte dabei so oft, dass sich nur dies oder jenes ändern müsste und wir dann so glücklich sein könnten, wie in meinen perfekten Vorstellungen.

Wenn ich mit diesen Überlegungen nun wieder zurück auf die Geschichte mit meinem Ex-Kollegen zurück schaue, dann glaube ich, dass ganz viel von dem, was in meiner Gefühlswelt stattgefunden hat, selbstgemacht war und kein Korrelat in der Realität hat. Denn da war einfach nicht viel, was meine Zuneigung für ihn über eine bekanntschaftliche Ebene hinaus erklären könnte außer vielleicht ein wenig Biochemie. Damals als es mit ihm angefangen hatte, war ich emotional gerade einfach gerade so bedürftig und hoffte so sehr, dass es mit ihm wirklich funktionieren und mein Herz nach Jahren des Chaos endlich zur Ruhe kommen könnte. Gedanklich flog ich mit ihm gemeinsam um die Welt und genoss ein unbeschwertes Glück mit einem Mann in meinem Alter und abseits der Fesseln goldener Manager-Käfige meiner Ex-Freunde. Es war meine Hoffnung dem ganzen emotionalen Stress und Versteckspiel der letzten Jahre endlich ein Ende setzen zu können. Und weil es mir selbst so schwer fiel mich alleine davon zu distanzieren, hoffte ich, dass ein neuer Mann an meiner Seite mir dabei helfen könnte, das Leben zu führen, nach dem ich mich so sehr sehnte.

Außerdem erfüllte er auf meinem gedanklichen Männerwunschzettel ganz viele Punkte und als er anfing mir Audiodateien von Stücken zu schicken, die er selbst auf dem Klavier spielte, sah ich mich daneben auf der Couch liegen – mit einem Tee oder Glas Wein in der Hand und in eine Decke eingewickelt – und diesem Privatkonzert lauschend. Wegen unserer Nachbarn, durfte ich früher leider kein Klavierspielen und musste mich mit der blöden Blockflöte herumschlagen. Diese Fantasie erfüllte daher ganz viele alte Bedürfnisse. Doch in der Realität stattgefunden hat das leider nie. Auch wenn ich zugeben muss, dass ich noch heute bei jedem Klavier oder Klavierspieler, den ich sehe, an ihn und an die Stücke denke, die er mir schickte. Diese Sache hatte mein Herz einfach wirklich wahnsinnig tief berührt.

Ich erinnere mich, dass ich gerade realisierte, dass zum damaligen Zeitpunkt eigentlich zu wenig Greifbares zwischen uns war, um ihn besuchen zu fliegen. Daher spielte ich mit dem Gedanken die Tickets wieder zu stornieren und alles ein bisschen langsamer anzugehen bzw. darauf zu warten, dass er mal zu mir zu Besuch kommt, weil er ja eh ständig unterwegs ist. Doch an dem Tag, an dem ich die Tickets canceln wollte, schickte er mir zum ersten Mal eines jener Klavierstück von ihm und ich sah es als Zeichen dem ganzen doch eine Chance zu geben, weil es mich so sehr berührte.

In mir ist gerade ein emotionales Licht aufgegangen. Ich kann gerade verstehen warum ich mich immer wieder in Männer verliebte, mit denen es dann in der Realität nicht funktionierte und ich dennoch nicht davon loslassen konnte. Ich verliebte mich nämlich in Fantasien, obwohl es in der Realität nicht harmonierte. Je schöner die Fantasien und je größer die Hoffnungen waren, desto schwerer viel mir das Loslassen nämlich. Doch all das was da in meinem Kopf passierte, waren lediglich mentale Ausdehnungen kleiner realer Ankerpunkte.

Unter dieser Betrachtungsweise stellt sich nicht die Frage für welche Person ich Gefühle habe, sondern einzig und allein nur, mit wem ich gern in der Realität zusammen bin und gemeinsame Momente als bereichernd empfinde, wenn ich darüber nachdenke aus welcher Fantasterei und zwischenmenschenlichen Verbindung mehr als eine Bekanntschaft/Freundschaft werden könne. Je mehr ich nämlich allumfassende, bedingungslose und universelle Liebe als Teil meines Wesens begreife und lebe, desto weniger wird Liebe ein Unterscheidungsmerkmal, was mir dabei helfen kann zu differenzieren mit welchem Menschen ich zusammenpasse und mit welchem nicht. Liebe ist… Und gemeinsam erlebte Momente zeigen ob man auch in der Realität und langfristig kompatibel ist. Nur um das herauszufinden braucht es eben Zeit und Raum.

Ich versuche ab jetzt einfach alles zu lieben und dann zu entscheiden, was davon ich gern in meinem Leben präsent halten will bzw. zu schauen was sich dort selbst präsent hält. Lieben heißt nicht, dass ich deshalb alles tun und tolerieren muss oder mit allen Menschen, die ich liebe, in engem Kontakt stehen bzw. stets zur Verfügung sein muss. Es bedeutet für mich einfach allen Groll und Gram loszulassen, die in gewissen Situationen oder bestimmten Menschen gegenüber in mir aufkommen. Es bringt nämlich nichts, wenn ich auf etwas oder jemanden böse bin – weder mir noch der anderen Person. Noch schlimmer: Diese negativen Emotionen fallen schlussendlich nur auf mich selbst zurück , bringen mich aus dem Gleichgewicht, blockieren meine Gedanken, stören meinen inneren Freiden und machen mir schlechte Laune. Warum sollte ich das also tun, wenn ich eine andere Wahl habe und trotz allem, was vielleicht passiert sein mag, in Harmonie sein kann.

Andere Menschen sind nicht einfach andere Wesen, die getrennt von dir existieren und nichts mit dir selbst zu tun haben. Sie bzw. ihre Repräsentationen in deinen Gedanken sind ein beständiger Teil von dir und deiner Welt. Deshalb ist es ratsam nicht nur auf dein Verhalten zu schauen (weil es ggf. im Außen bestraft werden könnte, wenn du dich falsch verhältst, sondern mindestens ebenso wenn nicht noch mehr auf deine Gedanken zu achten und mit anderen Menschen so umzugehen bzw. so über sie zu denken, dass mit dir umgegangen bzw. über dich gedacht wird.

Ich muss gerade schmunzeln, denn als dieser Vergleich aus meinen Gedanken herauspurzelte, fiel mir auf, dass ich genau mit dieser Weiheit erzogen worden bin:

„Behandele andere so, wie du selbst behandelt werden willst.“

Das war das, was meine Mama als Kind immer zu mir sagte. Und sie hat so recht damit. Dass es allerdings nicht nur mein Verhalten, sondern auch die Gefühle und Gedanken in mir betrifft, habe ich erst heute verstanden.

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2 Gedanken zu „Tag 262:
Liebe ist…
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  1. …ich habe Deinen Blog erneut sehr aufmerksam gelesen und ich fand es faszinierend, wie sehr sich das, was Du geschrieben hast mit meinen Gedanken der letzten Tage gedeckt hat. In der Tat hast Du tatsächlich mit Deinen Worten auch mir geholfen einiges klarer zu sehen und zu verstehen. Erstaunlich, wes für Zündungen der Gedankenaustausch hervorbrachte.
    Das Bild der Fantasiewelt hat einiges an Licht für mich gebracht und auch für mich eine Vielzahl an Fragen beantwortet. Mir ist bewusst geworden, wie sehr ich ebenfalls meine Wünsche habe leben lassen ohne der Realität Glauben zu schenken.
    Ich finde es erstaunlich, dass ich selbst nicht in Worte fassen konnte was ich fühlte und ab und an erneut fühle. Deine Erklärung, den vermeintlich begehrten Menschen betreffend, ist so simpel wie wahr, betrachtet aus dem Blickwinkel des Wunsches. Du erinnerst Dich sicherlich, dass ich erwähnte, in der Vergangenheit auch immer die „Aufgabe“ gesucht zu haben, Einfach war uninteressant.
    Seit einiger Zeit fühle ich mich einer Anziehungskraft ausgesetzt, die ich nicht verstehe, verstanden habe. Nun, da ich Deinen Blog gelesen habe glaube auch ich etwas neues, Weiteres über mich erfahren und verstanden zu haben.
    Es ist definitiv ungewohnt, ohne eine Fantasie von einem gemeinsamen Beisammensein, ein Vermissen zu spüren. Jedenfalls ist es das für mich, anderen Menschen wird dieses Gefühl, diese Empfindung nicht unbekannt sein. Für mich erklärt sich daher auch, warum ich immer wieder mit Menschen hadere, die ich früher in meinem Leben hatte. Vieles lief in der Tat in der Fantasiewelt. Daher bin ich wohl auch bereit diese bis dahin genannten Freundschaften auf den Prüfstand zu stellen und für mich neu einzuordnen. Nichts ist falsch daran, zu erkennen, wer wirklich Freund und wer Bekannter oder auch guter Bekannter ist.
    Ich habe auch sehr viel darüber nachgedacht, wie es zu verstehen ist, im Moment zu leben. Und ja, ich denke genau das ist die Crux, sich aus den Träumen zu verabschieden, diese falschen Fesseln abzulegen und sich dem Moment zu öffnen. Ich habe in letzter Zeit sehr viel von alten Mustern abgelegt. Ab und an stelle ich fest, dass ich in alten Mustern immer wieder mein heil suche. Großer Quatsch, wie ich feststelle. Und nun ist mir auch klar, warum ich selbst dann, wenn ich ein altes Muster provoziere, es nicht bis zum Ende durchstehe. Ich will es gar nicht mehr und kann es irgendwie auch nicht. Und dafür gebührt der Dank Dir, dass Du mich in diese Gedanken gebracht hast. In den Gesprächen mit Karmen habe ich einiges aufgearbeitet und ebenso in Worte gefasst, auf dass ich verstehen konnte. All diese Bausteine ergeben immer mehr ein ganzes, das zu mir führt, ohne Abhängigkeiten von anderen.
    Ja, ein Leben nur mit mir ist definitiv nicht meine Erfüllung, es von einem anderen Menschen abhängig zu machen, der in der Fantasie für tolle Zweisamkeit sorgt, eine Illusion. Ich denke nun auch zu verstehen, dass diese „Komfortzone“ der Fantasie einer Beziehung viel leichter zu ertragen ist, als sich auf einen Menschen wirklich einzulassen. Das wirklich einlassen, ist eine ganz besondere Qualität. Impliziert es doch das Leben in der Realität, im Moment. Ein Vermissen des Anderen, ein Begehren des Anderen, was losgelöst von sexueller Anziehungskraft seine Berechtigung hat, ein Gefühl was ich fühlen lerne und an stärke gewinnt.

    Wie oft war ich bereit, mich aufzugeben um der Fantasie, die ich einer Partnerin gegenüber entwickelte auch zum Leben zu verhelfen und mal im Ernst, ich bin zu oft nicht mit einer Übereinstimmung belohnt worden. Nur das darum kämpfen lernte ich…

    Daher sind mir all Deine Fragen auch so präsent im Kopf gewesen. Jahrelang bin ich damit herum gelaufen auf der Suche nach Antworten. Und alle Antworten waren schon da, ich konnte sie nur nicht hören! Und wieder einmal schaue ich in einen Spiegel und habe etwas über mich erfahren… So oft ich mich an die Erkenntnisse bezüglich von falscher Perfektion, meiner Fassaden und der Sucht nach einem geliebten Menschen erinnere ( ja, nicht der Suche ) erkenne ich für mich, dass ich bisher nur ein einziges Mal den Mut aufgebracht habe etwas in meinem Leben zuzulassen. Okay, es war nicht von Erfolg gekrönt hat allerdings enorm viel ins Rollen gebracht unter anderem auch, dass wir uns über den Weg gelaufen sind.

    Nichts geschieht wohl ohne Grund…. Und ich fühle mich auch um einiges gestärkter, in der Seele, auch wenn der Körper gerade nach Ruhe und Auszeit schreit…
    Ein ganz riesiges Dankeschön für die intensive Zeit, die ich durch unsere Gespräche erfahren durfte…

    1. Lieber René,

      was für ein wunderschöner Kommentar. Die Worte die du findest um meine zu ergänzen berühren und beeindrucken mich! Ich danke dir so sehr, dass du deine Sichtweise und deine Gefühle so offen teilst. Das ist wunderschön! Der Austausch mit dir bedeutet mir viel. Danke dafür!

      <3

      Liebe Grüße, Lena

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