Tag 26:
Sebastian

Ach ja, was mach ich nur mit Sebastian?

Ich hatte ihn exakt einen Abend nach meinem Entschluss für mein Jahr ohne Männer kennengelernt. (Entschluss, nicht Beginn – Kennenlernen war im Oktober, Start von OYNG im Dezember) Einen Abend nachdem ich das mit Christian final beendet hatte. Ich war an dem Abend ganz natürlich. Hatte meine Lauftights an und nicht mal einen BH. Eigentlich wollte ich nur etwas essen gehen. Wie der Abend endete war eine schöne Überraschung. Vielleicht war ich auch deshalb so entspannt. Es war ein Abend mit alten Kollegen in Berlin – Essen, Späti, Tanzen und erst morgens 6 Uhr im Bett. Ungeplant. Verrückt. Typisch Berlin.

Sebastian ist der Bruder eines Ex-Kollegen. Und ich merkte ziemlich schnell, dass er ein Auge auf mich geworfen hatte. Wir unterhielten uns und verstanden uns blendend. Da sein Bruder meine Nummer hatte und er daher indirekt Zugang dazu, verließ ich die Party mit einem unschuldigen “bye bye”. Ich war gerade eh nicht in Dating Laune…

Es dauerte keine halbe Stunde bis ich eine Nachricht von ihm auf meinem Telefon hatte. Er wollte noch einen Absacker mit mir Trinken gehen. Ich war totmüde. Nach ein wenig hin und her schlief ich einfach ein. Sebastian war am nächsten Abend auf eine Hochzeit eingeladen und mein Plan war es am Nachmittag nach Hamburg zurückzufahren, meine Sachen zu packen und in der darauffolgenden Woche für einen Monat nach Nepal zu fliegen. Suboptimale Ausgangssituation für ein Kennenlernen… Ich glaube er wusste, dass er mir etwas Unkonventionelles bieten muss, um mich kurzfristig wiederzusehen. Also lud er mich ein, ihn zu der Hochzeit zu begleiten. Ich mag Hochzeiten also nahm ich die Einladung an.

Es kam wie es kommen musste, nach einem wunderschönen Abend brachte er mich in mein Hotel und wir küssten uns vor den Aufzügen in einer menschenleeren Lobby und ein einsamer Mann an der Rezeption schaute uns dabei zu. Ich nahm ihn mit auf mein Zimmer. Wir hatten keinen Sex. Und trotzdem war es wunderschön neben ihm einzuschlafen und am nächsten Morgen aufzuwachen. Schon als wir in der Kirche bei der Trauung nebeneinander saßen, machte er etwas mit mir. Ich hatte das Gefühl zwischen uns wäre eine Verbindung und ich hätte so gern meine Hand in seine gelegt. Ok, ein bisschen gefühlsduselig wird man bei so einer Hochzeit sowieso. Wie viele meiner Gedanken und Gefühle davon überlagert waren, kann ich heute nicht mehr sagen.

Es war klar, dass wir uns wiedersehen wollten und entschlossen kurzer Hand und vor allem aus Ermangelung anderer Optionen den Tag meiner Rückkehr aus Nepal nach Deutschland dafür zu nehmen. Es war wundervoll. Er war wundervoll. Und auf einmal bekam ich Angst.

Das Problem ist, dass ich ihn auffressen würde, wenn wir uns wiedersehen. Seine Küsse senden ihre Signale direkt zwischen meine Beine und wir haben die gleiche Vorstellung von den guten Dingen – im Leben genauso wie im Bett. Ich finde ihn nicht nur unglaublich attraktiv, sondern auch menschlich eine Granate. Es war die Tatsache, dass er extra nach Hamburg flog, um mich nach meiner Nepalreise vom Flieger abzuholen, die mich von ihm überzeugte. Noch mehr war es der Moment, dass er schaute ob es mir gut ging, als ich mit JetLag nach 3 Stunden Schlaf 6 Uhr morgens aus dem Bett krabbelte, um Yoga zu machen. Es war der direkte Vergleich zwischen der mangelnden Aufmerksamkeit Christian’s und seiner liebevollen Fürsorge. In seinen Armen zu liegen war wie im Himmel. Ihn gehen zu sehen und nicht zu wissen, was daraus wird, löste Unsicherheit in mir aus. Eine Unsicherheit, die mich dazu motivierte mein ONE YEAR NO GUY-Experiment doch zu starten, auch wenn ich nicht weiß, was das mit uns machen wird. Es war meine kleine Flucht und das Schaffen einer Distanz zu einem Mann, in den ich mich ohne Frage ziemlich schnell verlieben würde. Es war die Angst davor, dass ich mit meinen Gefühlen für ihn womöglich allein dastehen und wieder verletzt werden könnte. Als wir in dieser Nacht meiner Rückkehr miteinander schliefen, hatte ich Angst, dass es der Sex war, der ihn nach Hamburg gelockt hat. Ein Jahr ohne Männer sollte auch hier eine Klarheit in unser Zusammensein bringen, denn ich hoffe, dass er warten kann, wenn er der Richtige ist. Um ehrlich zu sein, ist mein Männer-Detox nämlich vor allem ein verarbeiten von alten Wunden bevor ich mein Herz neuen Risiken aussetzen kann. Es ist die Rehabilitation nach der großen Herz-Op. Es ist die so wichtige Ruhe, damit die Genesung gelingen kann.

Ich will einen Mann, dem ich wichtiger bin als der Sex mit mir. Ich möchte einfach sicher gehen, dass er mich will und nicht nur meinen Körper. Ich will wissen, ob er es ernst meint. Ich will wissen, dass wir uns auch verstehen, wenn wir keinen Sex haben. Ich will spüren, ob er mir auch dann gefällt, wenn uns der Sex nicht den Kopf vernebelt. Ich will wissen ob es echt ist und ob es Bestand haben kann oder es wieder nur eine flüchtige Verliebtheit in der Anfangsphase ist. Ich will ihn auf Herz und Nieren prüfen: ob er es ernst meint und ob wir gemeinsam durch den Dreck kriechen, miteinander lachen und reden können. Ich will, dass er all meine Fehler und Macken kennt, bevor er sich von meiner Sinnlichkeit blenden lässt.

Trotzdem fällt es mir alles andere als leicht ihn in die Schranken zu weisen. Er löst Feuer in mir aus. Wenn ich ihm gegenüber stehe, wirkt meine Abstinenz lächerlich artifiziell. Ich will ihn spüren, schmecken, riechen und genauso sehr in seinen Armen liegen wie meine wildesten Fantasien mit ihm ausleben. Ich kenne ihn nur noch viel zu wenig. Ich will mich komplett fallen lassen können, statt Sex mit angezogener Handbremse zu haben. Und da ich ihn noch so wenig kenne, weiß ich nicht ob er stehen bleibt und mich auffängt oder doch plötzlich die Beine in die Hand nimmt und wegläuft. Einen so harten Aufprall wie im Mai würde mein Herz nicht überleben – zumindest derzeit nicht. Ja, ich treibe es auf die Spitze, indem ich ihn ein Jahr warten lasse. Ich bilde mir ein, dass ich dann einen Beweis habe, mich auf ihn verlassen zu können und ihn bis dahin gut genug kennengelernt habe, damit ich mich auf ihn einlassen kann, ohne die Angst, dass mein Herz zerspringt.

Während ich das schreibe, kommen mir die Zweifel. Ist es denn überhaupt ein wirkliches Kennenlernen, wenn der Sex so komplett auf der Strecke bleibt? Menschen, die ich mag, mit denen ich aber keinen Sex habe, sind meine Freunde. Und ja, auf der einen Seite will ich testen, ob wir Freunde sein können und auf menschlicher Ebene funktionieren. Auf der anderen Seite, will ich ihn – wenn es funktionieren sollte – genauso als meinen leidenschaftlichen Lover. Wahrscheinlich habe ich in der Nacht nach meiner Rückkehr aus Nepal genau deshalb mit ihm geschlafen, um herauszufinden ob die sexuelle Basis stimmt. Als ich erlebte, dass es tatsächlich passt, konnte ich meine Pause ein wenig entspannter angehen. Denn einen Mann über ein Jahr näher kennenzulernen, von dem ich nicht weiß ob wir anatomisch und vom Stil her zusammen passen, hätte mich wahnsinnig gemacht.

Leider hat er sich noch nicht entschieden ob er die Geduld hat sich mit mir auf dieses Experiment einzulassen. Seine Aussagen bis jetzt gingen in die Richtung, dass er es nicht kann, weil ihm Sex einfach zu wichtig ist und er es nicht aushalten kann mich zu sehen, ohne mit mir zu schlafen. Ein bisschen wie bei Christian. Vielleicht auch ein wenig „Typisch Mann!“. Drückt mir die Daumen, dass er es versuchen will. Ich würde es so gern.

 

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5 Gedanken zu „Tag 26:
Sebastian
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  1. Oh Gott, wie aufregend. Ich drücke die Daumen, dass Sebastian warten wird. Es klingt zumindest so, als wäre es der Mensch, den du vorher gesucht und nicht gefunden hast… Aber falls er nicht warten möchte, ist er es vielleicht auch nicht. Ich finde immer, dass alles im Leben einen Sinn hat und es so kommt, wie es soll.
    Ich bin gespannt, wie es weitergeht und hoffe nur das Beste für dich!

    Liebe Grüße,
    Jana

    1. Liebe Jana.

      Tausend Dank für deine Worte! Ich glaube an Folgendes: “Was sein soll passiert. Ansonsten beschützt mich das Schicksal davor einen Fehler zu machen.” Ich habe die letzten Jahre nicht nur einen Mann kennengelernt, mit dem ich die Hoffnung hatte, dass sich daraus etwas Ernsthaftes ergibt. Alles hat einen Sinn – manchmal nur nicht den, den wir auf den ersten Blick erhoffen. Ich nehme einfach an was passiert. Es wird gut werden. Das wichtigste ist, dass es mir gut geht und das tut es.

      Liebe Grüße
      Lena

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