Tag 21:
Wahre Liebe =
(Intimität + Leidenschaft + Verbindlichkeit)2

Ich habe ein Buch, das ich meine Liebes-Bibel nenne. Es heißt „Liebe. The World Book of Love“ und ist geschrieben von Leo Bormans (Dumont-Verlag). Gleich vorab: Diese Empfehlung ist keine Werbung und ich bekomme dafür kein Geld – ich finde es einfach nur so wunderbar, dass ich es mit euch teilen möchte. Das Buch ist groß, schwer und besteht aus mehr als Hundert wissenschaftlichen Perspektiven auf das Thema Liebe. 349 Seiten Weisheit zu meinem Lieblingsthema. Mit dem Lesen dieses Buches begann die Liebes-Aufklärung in mir, denn es öffnete mir die Augen fernab von Hollywood-Romantik und Rosamunde Pilcher-Verfilmungen. Jede neue Seite öffnete mir ein Tor mich selbst mit meinen Gefühlen, Gedanken und Erfahrungen zum Thema Liebe besser zu verstehen. Dieses Buch zeigte mir, dass es so viel zu diesem Thema zu lernen gibt, was mir bisher niemand beigebracht hat. Es stand auf keinem Stundenplan und war für keinen meiner Abschlüsse notwendig. Nun ja, das wirklich Relevante hole ich nun eben in Eigenregie nach. Besser spät als nie.

Der Text, auf den ich mich heute beziehe hat den Titel „Was heißt „Ich liebe dich“?“ und beginnt mit folgender Aussage: „Suchen Sie jemanden, der mit dem Wort Liebe ungefähr das Gleiche meint wie Sie.“ Bereits hier lässt sich erahnen – das, was ich unter Liebe verstehe, muss nicht das sein, was du für dich darunter abgespeichert hast. Liebe lässt sich nicht abwiegen oder so richtig gut beschreiben. Es ist ein Gefühl, dass in uns wohnt oder durch andere in uns entfacht wird. Sehr subjektiv und wenig objektivierbar. Liebe ist so stark in dem Moment, in dem ich von ihr gepackt werde und wenn sie sich aus der Verbindung verabschiedet hat, schaue ich zum Teil mit einem ungläubigen „Was habe ich mir damals eigentlich dabei gedacht?“ zurück. Die rosarote Brille, die mir der lustig-bunte Hormancocktail in meinem Blut auf die Nase setzte, ist schnell wieder abgesetzt. Ein „Ich liebe dich.“ – obwohl es immer wieder die gleichen drei Worte sind – kann für zwei Menschen, die es sich gegenseitig sagen, komplett unterschiedliche Bedeutungen haben. Es kann genauso ein „Ich begehre dich.“ wie ein „Ich will mit dir mein Leben verbringen.“ sein. Und genau hier liegt die Krux: Nur weil wir das Gleiche sagen, heißt es nicht, dass wir auch dasselbe meinen.

Ich versuche mich also der Definition von Liebe zu nähern. Der Psychologe Robert J. Sternberg hat dazu die Dreieckstheorie der Liebe aufgestellt – der Versuch eines Erklärungsmodells. Demnach seien die Grundkomponenten der Liebe: Intimität, Leidenschaft und Verbindlichkeit. Dahinter verstecken sich folgende Aspekte:

  • Intimität: Füreinander da sein, sich vertrauen, gegenseitig für sich sorgen, miteinander in offenem Austausch stehen und Empathie sowie Verständnis für den anderen aufbringen.
  • Leidenschaft: Es ist der Kick des Verliebtseins, die Aufregung und Energie, die mit einem Mal durch die Adern fließen und die Euphorie, die einen packt, wenn man von der anderen Person fasziniert ist.
  • Verbindlichkeit: Der wichtigste Aspekt beim Übergang von Liebe in Partnerschaft. Es ist der Entschluss, sich auf diese eine Person dauerhaft einlassen zu wollen. Nicht nur ein Ja, für den Moment, sondern ein Ja auf Dauer. Ein Ja für eine Zukunft, in der man nicht weiß wie sich die Level an Intimität und Leidenschaft entwickeln werden. Es braucht Charakterstärke, dieses Ja auszusprechen und es wirklich zu meinen.

Höchst spannend ist nun Folgendes: Je nachdem wie ich diese drei Grundkomponenten mische, so entstehen unterschiedliche Arten von Liebe bzw. des Miteinanders.

  • Wahre und vollendete Liebe ergibt sich, wenn alle drei Aspekte zusammentreffen. Ein Paar, das in gegenseitigem Austausch und füreinander da ist, das immer noch die berühmten Schmetterlinge im Bauch hat und sich entschieden hat langfristig zusammensein.
  • Romantische Liebe ist das Zusammenkommen von Intimität und Leidenschaft ohne Verbindlichkeit.
  • Kameradschaftliche Liebe ist Intimität und Verbindlichkeit bei gleichzeitigem Fehlen von Leidenschaft.
  • Verblendete Liebe ist Leidenschaft plus Verbindlichkeit ohne Intimität.
  • Gern haben ist Intimität allein.
  • Vernarrt sein ist, wenn nur Leidenschaft allein auftritt.
  • Leere Liebe ist Verbindlichkeit ohne die anderen zwei Aspekte.

Allein sich dieser unterschiedlichen Arten der Liebe bewusst zu werden, hat mir extrem geholfen mich und meine Männergeschichten besser verstehen zu können. Noch interessanter wird es, wenn man sich den zeitlichen Verlauf der zugrundeliegenden drei Grundkomponenten anschaut:

Zu Beginn ist die Intimität eher gering, im Optimalfall wächst sie allmählich und nimmt Jahr um Jahr zu. Scheitert die Liebe und halten Geheimnisse Einzug in die Beziehung, sinkt auch die Intimität.

Dagegen ist die Leidenschaft wie eine Sucht. Sie verursacht das Liebes-High am Anfang und setzt uns auf die rosarote Wolke. Wir sind von dem anderen begeistert und wollen nichts als das Gute sehen. Zu Beginn überschütten uns unsere Glückszentren mit Wohlfühlhormonen. Mit der Zeit entsteht hier eine Gewöhnung, denn den Ausnahmezustände der ersten Wochen und Monate könnten wir physiologisch gar nicht dauerhaft aushalten. Er ist evolutionsbiologisch dafür gedacht, dass wir dem anderen unsere ganze Aufmerksamkeit zukommen lassen und unsere Welt und unsere Gedanken sich komplett um ihn oder sie drehen und wir möglichst viel und engen Kontakt suchen. Schließlich würden wir Menschen aussterben, wenn sich keiner um die Fortpflanzung kümmert. Also sind wir während der Anfangsphase sexuell hochaktiv und können uns kaum beherrschen und die Finger voneinander lassen. Mit der Zeit pendeln wir uns auf einem niedrigeren Niveau ein. Wird die Phase der intensiven Leidenschaft abrupt beendet, entstehen Entzugserscheinungen wie beim kalten Entzug. Es ist die Phase des Liebeskummers und des Herzschmerzes, der so unendlich wehtut und nach Wiederaufnahme des Kontakts zu dem anderen schreit. Es braucht eine Weile, um dies zu überwinden.

Verbindlichkeit dagegen wächst auch über die Zeit an. Gelingende Beziehungen verzeichnen einen kontinuierlichen Zuwachs an Verbindlichkeit, scheiternde Paare hingehen verlieren diesen Aspekt.

Wenn man nun die Verlaufskurven der drei Komponenten übereinander legt, wird deutlich, welche Arten der Liebe sich wann zeigen. Die romantische Liebe ist die anfängliche Faszination füreinander, wenn die rosarote Brille noch fest auf der Nase sitzt. Die Leidenschaft ist groß und die Intimität steigt. Ob daraus echte Liebe wird, entscheidet die Verbindlichkeit der Partner. Kameradschaftliche Liebe (Intimität plus Verbindlichkeit) ist die Liebe in langjährigen Beziehungen, wenn die Leidenschaft nachgelassen hat, aber Intimität und Verbindlichkeit Stück für Stück ansteigen.

Nicht jeder hat die gleichen Ansprüche was Liebe und Miteinander angeht. Wichtig ist hier, dass man ein gutes Erwartungsmanagement betreibt und darüber spricht, was man selbst sowie der andere eigentlich will. Damit beide Partner glücklich sind, ist es nämlich entscheidend, dass sich die Ausprägungen der drei Grundkomponenten überschneiden. Daher können Affären wunderbar funktionieren, wenn beide nur eine Affäre wollen. Will einer Verbindlichkeit und der andere scheut diese oder lebt sie mit einer anderen Person aus, wird es schwierig.

Mir hilft dieses Konzept die Form der Liebe in meinen verschiedenen Beziehungen besser einordnen zu können und zu verstehen warum diese oder jene Beziehung nicht funktioniert hat. Ich hoffe ich konnte damit auch ein bisschen zu eurer Liebesbildung beitragen.

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