Tag 2:
Der Morgen danach

Will ich das wirklich? Was habe ich mir nur dabei gedacht? Bin ich verrückt? Was hat mir da eigentlich die Sinne vernebelt, dass ich mich darauf eingelassen habe? Und vor allem: Welche Auswirkungen hat das Ganze auf mein Leben? One year no guy? Ehrlich? 365 Tage? Ein Jahr kann verdammt lang sein.

Wir sollten reden

Die ersten Auswirkungen zeigen sich schneller als gedacht. Es dauerte nur wenige Stunden, bis ich auf mein Vorhaben angesprochen wurde. Dummerweise von der Person, bei der ich am wenigsten weiß, wie ich es ihm vermitteln soll – Sebastian. Sebastian ist der Mann, den ich an dem Abend kennengelernt habe, nachdem ich mich entschieden hatte für ein Jahr auf Sex zu verzichten. Ein Mann mit Potenzial. Ein wirklich toller Mann, den ich sehr mag. Und trotzdem habe ich mich nach ein paar Wochen Bedenkzeit entschieden mein Vorhaben durchzuziehen – auch unter der Gefahr, dass er mir dann den Vogel zeigt und geht. Ein Jahr Kennenlernen ohne Sex? Kann ich ihm das antun? Darf ich so etwas von einem Mann erwarten? Wahrscheinlich nicht. Aber dann ist das so. Gerade bin ich mir selbst einfach wichtiger.

Ich habe das Gefühl, dass ich am Beginn einer großen Reise stehe und diese für ihn nicht anzutreten, würde sich falsch anfühlen. Ich hätte das Gefühl, meine Träume nicht zu leben und sie den Bedürfnissen anderer unterzuordnen. Denn wenn ich mit ihm schlafen würde, würde ich das mehr für ihn als für mich tun. Ich hätte das Gefühl, dass ich meine Beine dafür breit machen würde, seine Bedürfnisse zu befriedigen, meine „Pflichten“ als Frau zu erfüllen und zu versuchen im Konkurrenzkampf unserer übersexualisierten Datingkultur mitzuhalten. Und das alles nur, um ihn von mir zu überzeugen bzw. ihn nicht zu verlieren. Ich kann und will das nicht mehr. Ich würde es bereuen. Denn jedes Mal, wenn ich das tue, geht ein Stück in mir kaputt und stirbt ab. Es waren genau diese Momente, in denen Sex für mich an Bedeutung verlor.

Allein dieser Gedanke bringt mich zum Nachdenken: Ich habe Angst ihn zu verlieren, wenn ich nicht mit ihm schlafe!? In welcher Gesellschaft leben wir, dass Sex den eigenen Wert bestimmt und dass wir dank mangelnder Frustrationstoleranz weiterziehen, wenn wir nicht schnell genug das bekommen, was wir wollen? Früher mussten Männer noch charakterliche Stärke und Standhaftigkeit beim Werben unter Beweis stellen, um als ehrenvoller Bräutigam auserwählt zu werden. Ich habe das Gefühl, dass Standhaftigkeit in unserer schnelllebigen Gesellschaft unter die Räder der Zeit gekommen ist.

Die Reise beginnt

Trotz allem Nichtwissen, was die nächsten 364 Tage bringen werden, weiß ich genau was ich nicht mehr will. Ich trete an gegen die Belanglosigkeit beim Sex. Anstatt von einem Date zum anderen zu hetzen, will ich es wieder richtig genießen können und davon ergriffen sein, anstatt mich in einer periodisch stattfindenden Nebentätigkeit zu üben, die man eben macht. Ähnlich wie Junk Food zu essen, wenn man hungrig ist, aber ohne wirklichen Genuss beim Essen. Ich möchte wieder dieses Kribbeln im Bauch spüren, wenn man vor der Tür steht, klingelt und kurz danach mit ein wenig Wackelpudding in den Beinen in das Gesicht des anderen blickt.

Bei der Vielzahl der Versuche und Möglichkeiten Männer kennenzulernen, habe ich vergessen oder zumindest aus den Augen verloren was ICH eigentlich will? Was ist für mich das Richtige? Was fühlt sich für mich gut an? Wann bedeutet es mir etwas? Dafür nehme ich mir ein Jahr, in dem ich mich mit den Themen Liebe und Sex auseinandersetzen werden, um sie noch einmal neu zu lernen. So lange, werde ich auf Sex verzichten und euch an meinen Erkenntnissen teilhaben lassen. Quasi: Alles auf Anfang. Sex-Fasten. Eine Männerauszeit. Oder um es mit Christian Lindner zu sagen: „Lieber keinen Sex als falsch.“

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5 Gedanken zu „Tag 2:
Der Morgen danach
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  1. Ich lese deinen Text und sehe so viele Parallelen bzw. fühle mich verstanden. Ich hatte Sex mit einem Mann, um ihn nicht zu verlieren. Das war keine gute Entscheidung. Von da an ging es nur noch um Sex. Ein Jahr später habe ich jemand neues kennengelernt und er war so geduldig, weil er mich wollte und nicht meinen Körper. Im Endeffekt hat er wirklich ca ein Jahr auf mich gewartet…daher kann ich nur sagen, wenn er der richtige ist, wird er warten und Verständnis haben.

  2. Danke dir meine Liebe. Das ist so motivierend. Wir haben gerade nur sporadisch Kontakt, aber er liegt mir am Herzen. Ich schaue einfach wie es sich entwickelt – ganz entspannt.

    Ich habe gerade einen Text gelesen, der perfekt dazu passt was du bez. “Sex um ihn nicht zu verlieren” geschrieben hast. Ich werde bald mehr dazu schreiben. Vielleicht schaffe ich es schon morgen.

    Hab noch einen schönen Abend!
    Lena

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