Tag 185:
Bergfest

Der Text stammt vom 03.06. – dem Bergfest meines OYNG-Experiments. Ein halbes Jahr ohne mein Laster. Ein Zwischenfazit. Da ich die letzten Tage ohne Laptop mit dem Rennrad in den Niederlanden unterwegs war, kann ich den Text erst heute veröffentlichen.

„Wenn du nach Außen strebst, ist deine Reise endlos. Wenn du nach Innen strebst, dauert sie nur einen Moment“
– Sadhguru

Was ist es, dass ich nach sechs Monaten fast ohne Männer und Dates gelernt habe? Wie geht es mir damit? Würde ich es noch einmal machen?

Ich fange mal von hinten an. “JAAA!!!“ ist meine Antwort auf die letzte Frage. Und ein tief von Innen kommendes „Grandios und wundervoll! Ich bin sehr glücklich. Gerade ist einfach alles gut.“ sind meine Worte, wenn mich Menschen fragen wie es mir aktuell geht. Ich hätte niemals gedacht, dass sich mein Leben in so kurzer Zeit so ändern kann. Ich habe in meiner persönlichen Entwicklung einen riesigen Sprung gemacht. Aber was ist es genau, dass ich in den letzten sechs Monaten gelernt habe?

Zusammengefasst, sind meine wichtigsten Lektionen aus den letzten Monaten folgende:

1. Ich habe gelernt bei mir zu bleiben ohne mich abzuschotten. Verbundenheit mit der Welt und mir gleichzeitig. Eine Balance aus Yin und Yang sowie sein und tun.
2. Ich habe gelernt mir meiner Wünsche und Bedürfnisse bewusst zu werden, für diese einzustehen und sie zu verteidigen.
3. Ich habe gelernt, dass meine äußere Welt und deren Probleme nur die Projektionsfläche meiner inneren Glaubenssätze sind.
4. Ich habe gelernt bedinungslos zu lieben und Liebe unabhängig von anderen in mir selbst zu begreifen.
5. Ich habe gelernt anzunehmen und Dinge geschehen zu lassen.

Aber nun der Reihe nach:

1. Lernen bei mir zu bleiben ohne mich abzuschotten

Ich denke die wichtigste Lektion war und ist weiterhin bei allem was ich tue, bei mir zu bleiben. Zuallererstes musste ich mir darüber bewusst werden, dass ich überhaupt nicht wusste was ich vom Leben und von Männern will. Das war ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung und hat mich dazu gebracht alles zu hinterfragen. Keinen Stein und keinen Glaubenssatz habe ich auf dem anderen gelassen. Alles habe ich beleuchtet, auseinandergebaut und neu zusammengesetzt. Im Ergebnis bin ich heute ein anderer Mensch und führe ein anderes Leben.

In der Vergangenheit habe ich im Grunde mein ganzes Leben für andere gelebt – für ihre Aufmerksamkeit, für ihre Liebe und um dazuzugehören. Ich habe die Probleme und Gefühle anderer über meine eigenen gestellt und mich damit immer und immer wieder selbst verloren. Ich habe mich und meine Bedürfnisse verleugnet und stattdessen der Sehnsucht meiner Seele nach Annahme und Zugehörigkeit Futter zu geben. Die Flucht vor ernsthaften Beziehungen war in Wahrheit der Weg zurück zu mir. Ich musste zuerst begreifen, dass hier nicht „entweder oder” gilt, sondern das beides zur gleichen Zeit existieren kann.

Früher sah meine Welt folgendermaßen aus: Entweder ich war bei mir oder ich war im Außen. Im Sinne von „My home is my castle“ zog ich mich in meine vier Wände zurück, wenn ich Zeit für mich brauchte. Es fiel mir unendlich schwer meine eigenen Bedürfnisse zu verteidigen und selbstbewusst dazu zu stehen, wenn ich mit anderen war. Daher war Abschottung der einzige Weg, den ich kannte, wenn ich bei mir bleiben wollte. Auf diese Weise versteckte ich mich als Kind hinter Büchern und weil ich durch die Leistungen, die ich in und durch die Abgrenzung nach außen erreichten, so viel Anerkennung und Aufmersamkeit bekam, verlief ich mich in ein Hamsterrad aus dem ich nur mühsam und mit viel kritischer Reflexion hinausfand. Der Großteil meines Selbstwerts war auf meinen Erfolgen aufgebaut, die durch meinen Ehrgeiz und mein Leistungsstreben zustanden kamen. Dieses Selbstwert zu hinterfragen und auf andere Säulen zu stellen, war eine wichtige Erkenntnis der ersten Phase meiner Selbstfindung.

Ich bin heute in Lage flexibel zwischen den unterschiedlichen Gängen meines Motors hoch und herunter zu schalten. Ich kann den Motor aufheulen und genauso schnell wieder in den Leerlauf schalten. Dieser Wechsel zwischen den unterschiedlichen Geschwindigkeiten führt dazu, dass ich mich seit vielen Jahren endlich mal nicht mehr wie kurz vor dem Burn-out fühle und dass meine stressbedingten Erkranken wie Rückenschmerzen und trockene Augen seit einiger Zeit verschwunden bzw. sehr viel besser bin. Da ich nicht mehr gegen meinen Körper und meinen natürlichen Rhythmus kämpfe, muss er sich seine Ruhephasen auch nicht mehr über Ausfall erobern. Mein Geist, mein Körper und meine Seele leben heute in einer neuen und sehr gesunden Balance.

2. Mich meiner Wünsche und Bedürfnisse bewusst werden und für diese einzustehen und sie verteidigen

„Wer bin ich eigentlich, wenn ich einfach nur bin statt immer zu tun?“ war eine Frage, die mich massiv beschäftigte. Und auch „Was will ich eigentlich wollen, wenn ich selbst darüber bestimmen kann, was ich wollen will?“ Diese beiden Fragen stellten mich vor ganz neue Herausforderungen. Denn indem ich mir meiner eigenen Wünsche und Bedürfnisse bewusst wurde und diese nicht nur an der Außenwelt orientierte, musste ich lernen für mich selbst einzustehen und diese zu verteidigen, auch wenn dies mit Reibungen einhergeht.

Wenn ich nicht weiß was ich will, sind meine Wünsche und Bedürfnisse relativ. Je dehnbarer und flexibler sie sind, desto einfacher ist es auch sie dem Außen anzupassen. Je weniger ich weiß, was ich selbst will, desto eher bin ich bereit die gefühlten Erwartungen von anderen als meine Erwartungen an mich selbst anzunehmen. Je weniger gefestigt ich in mir selbst bin, desto formbarer bin ich durch äußere Umstände und desto schwerer fällt es mir, bei mir zu bleiben, wenn ich nicht weiß was dieses „bei mir sein“ eigentlich ist.

Mein Fokus liegt heute – zum ersten Mal in meinem Leben auf mir und meinem Wohlergehen. Das klingt für manche vielleicht egoistisch. Aber es geht nicht um selbstzentrierten Egoismus. Es geht um Selbstliebe und -annahme sowie dem Setzen gesunder Grenzen. Grenzen zu setzen und diese aufrecht zu erhalten, fiel mir früher verdammt schwer bzw. war nahezu unmöglich. Heute gehe ich mit einer ganz anderen Gelassenheit in zwischenmenschliche Interaktionen. Indem ich mir meiner eigenen Bedürfnisse bewusst bin, kann ich diese auch verteidigen.

3. Meine Äußere Welt ist die Projektsionsfläche meiner inneren Welt

Da ich früher nicht wusste, was ich wollen will, war ich wie ein Segel im Wind. Ich flattere hierhin und dorthin, probierte aus und versuchte dabei mich selbst zu finden. Dies war jedoch eine Suche im Außen. Und sie schien endlos und frustrierend. Was ich in den letzten sechs Monaten anders gemacht habe, war meine Suche anstatt nach Außen, allein in mein Inneres zu richten und dies bis in den letzten Winkel auszuleuchten und kennenzulernen.

Alles was ich in den letzten Monaten geändert habe, war den Ort zu ändern, an dem ich nach meinem Glück suche. Mein ganzes bisheriges Leben, habe ich im Außen nach Liebe und Wohlergehen gesucht. Es war sinnlos, weil das Außen nur die Projektionsfläche meiner inneren Welt ist. Ich habe erkannt, dass ich meine Probleme nur durch die Hinwendung zum Innen lösen kann. Wenn ich versuche meine Probleme im Außen anzugehen, betreibe ich nur Symptomkosmetik. Löse ich hingegen meine Probleme in mir, so bearbeite ich die Ursachen und bin in der Lage Dinge langfristig zu ändern bzw. aufzulösen.

Meine verzweiflete Suche nach Männern und somit der Liebe im Außen war diese Art Symptomkosmetik. Ich sprang von einem zum nächsten und hoffte, dass es mit ihm endlich gut werden würde. Jedoch trug ich meine Probleme jedes Mal mit. Ich habe in den letzten Monaten verstanden, dass mich ein Mann oder eine Beziehung nicht glücklicher machen werden, als ich es ohne bin. Es gibt nur einen Menschen, der mir mein Seelenheil schenken kann. Und dieser Mensch bin ich selbst.

Früher waren meine Dates und Männergeschichten wie Trostpflaster. Ich klebte sie auf meine Wunden, damit sie weniger bluteten. Es gab so viele Glaubenssätze aus meiner Kindheit, die mich blockierten und mich von dem Leben wegzogen, das ich mir so sehr wünschte. Daher habe ich all das, was mich in der Vergangenheit lähmte, unter die Lupe genommen, auseinander gebaut, im Detail analysiert und neu zusammengesetzt. In Folge dessen, bin ich heute ein anderer Mensch und lebe in einer anderen Welt. Nicht, weil ich die Welt um mich herum geändert habe, sondern weil sich die Welt in mir geändert hat.

4. Bedingungslos lieben und Liebe unabhängig von anderen in mir selbst begreifen

Früher habe ich Liebe immer im Außen gesucht und alles in „ist liebenswert“ und „ist nicht liebenswert“ eingeteilt. Ich dachte immer ich müsste mein Herz schützen und gut darauf Achtgeben, wem ich meine Liebe schenkte. Meine Angst vor erneuter Verletzung war so groß, dass ich Bedingungen an meine Liebe knüpfte. Ich versuchte nur dann zu lieben, wenn auch der andere mich lieben würden. Doch das war kein Mittel der Heilung. Es war stattdessen der Grund für all mein Leid und Beziehungen, die sich über die Zeit eher in Zweifrontenkriege als bereichernde Partnerschaften entwickelten. Indem ich Liebe portionierte und allzu vorsichtig damit umging, schnitt ich mich von der Quelle wahrer Liebe ab. Wahre Liebe bewertet nicht. Sie selektiert nicht. Sie ist allumfassend. Und je mehr wir lieben, desto mehr Liebe bekommen wir zurück. Sie ist in Wahrheit eine der Sachen, die mehr werden, wenn man sie teilt.

Mein altes Leben war dominiert von meinem Ego und meinem Leistungsdrang – alles in dem Glauben, dass ich die Beste sein muss, um geliebt werden zu können. Und weil ich glaubte, dass Liebenswürdigkeit mit Leistung zu tun hat, ließ ich auch nur erfolgreiche Männer an mich heran. In meinem neuen Leben erlaube ich mir endlich zu sein und bedingungslos zu lieben. Ich habe den Fokus von “perfekt sein” auf “perfekt ich selbst sein” verändert. Daher finde ich heute auch ganz andere Männer attraktiv als das früher der Fall war. Heute schaue ich einzig und allein darauf wie ich mich fühle, wenn ich mit einem anderen Menschen zusammen bin. Ist dort das Gefühl der Verbundenheit? Fühlt es sich gut an? Stimmt die Wellenlänge? Ich baue keine Mauern mehr und unterscheide nicht mehr wen ich liebe und wen ich nicht liebe. Ich liebe und spüre in mich und den Moment, wie und mit wem ich diesen verbringen möchte.

Die Liebe auf dieser anderen Ebene zu begreifen, gehört für mich zu den wichtigsten Erkenntnissen. Heute habe ich verstanden, dass Liebe nichts mit jemand anderem zu tun hat. Sie ist nicht im Auße zu finden. Sie ist einfach nur die Art und Weise, wie ich die Welt und andere Menschen sehe. Wenn ich liebe ist meine Welt von Wohlwollen, Zärtlichkeit und Mitgefühl geprägt. Liebe ist ein Gefühl der Verbundenheit und öffnet mich für die Schönheit der Welt. Doch die Ursache für diese Wahrnehmungsveränderung liegt allein in mir. Schließlich kann Liebe auch überdauern, wenn der Mensch, den man liebt, verstirbt. Wenn ich die Liebe nicht als Teil in mir begreife, dann brauche ich andere Menschen, die wie Schlüssel zu einer Welt wirken, zu der ich mir allein keinen Zugang verschaffen kann.

Wenn ich Liebe als Teil von mir betrachte, zu dem ich stets Zugang habe, statt fortwährend auf der Suche danach zu sein geliebt zu werden, so ist beständig in mir und meinem Leben präsent. Diese Perspektive auf die Liebe nimmt mir die Angst vor dem Ende. Sie nimmt mir die Angst vor dem Betrug. Es nimmt mir die Angst davor, dass ich von der Liebe einer anderen Person abhängig werden und dieser Mensch sich von mir abwenden und mich mit einem gebrochenen Herzen zurücklassen könnte. Die Liebe in mir selbst zu begreifen befreit und bestärkt mich. Es gibt mir zugleich Wurzeln und Flügel.

Je stärker und intensiver ich die Liebe aus mir selbst heraus in die Welt aussenden – gegenüber jedem Freund und jedem Fremden – desto mehr Liebe wird zurück in mein Leben reflektiert. Vielleicht nicht unbedingt von der Person, der ich Liebe entgegengebracht habe. Vielleicht auch aus einer ganz anderen Richtung. Aber der Kreislauf der Liebe beruht auf Ausdehnung und nicht Exklusivität. Liebe allein auf eine Person zu konzentrieren, schafft Trennung und baut Mauern. Beziehungen zu führen ist dann als wenn wir in die Mauer der Trennung ein Fenster bauen würden, um nicht mehr ganz so abgeschottet zu sein. Viel richtiger wäre es jedoch die Mauer gar nicht erst auf oder zumindest schnell wieder abzubauen.

5. Annehmen und Dinge geschehen lassen

Bei allem im Leben geht es um eine gesunde Balance zwischen Sein und Tun. Ich war die ersten 29 Jahre meines Lebens voll und ganz im Tun verankert. Einfach nur zu sein, viel mir unendlich schwer. Sobald ich versuchte nichts zun machen und nur zu sein, fühlte ich mich wie eine Feder und vermisste die Gewichte auf meinen Schultern. Ich fühlte mich so leicht, dass ich Angst hatte, davonzufliegen. Einfach zu sein und das geschehen zu lassen, was sich gerade in mir zeigen wollte, war so ungewohnt, dass ich schnell immer wieder den Rucksack der Probleme im Außen aufsetze, die schwerer wogen und die aufkeimenden Gefühl in meinem Inneren verdeckten.

Ich habe gelernt meine Gefühle in ihrer Gänze anzunehmen und meine Kiste der Pandora geöffnet. Ich habe mich dem Monster in mir gestellt und es zu meinem Freund gemacht. Und vor allem habe ich aufgehört meine Emotionen zu bewerten und in „darf sein“ und „darf nicht sein“ einzuteilen. Ich lasse heute alle Emotionen zu, die in mir aufkommen – Freude genauso wie Trauer, Wut und Einsamkeit. Egal was gespürt und verarbeitet werden will, ich lasse es zu. Und so bin ich nicht mehr wie ein Dampfkessel, in dem sich Emotionen anstauen und sich irgendwann unter Druck entladen, sondern eher wie ein fließendes Wasser, das gleichbleibend fließt.

Ich spüre heute eine andere Verbundenheit zu mir und meinem Sein. Statt ständig um alles zu kämpfen, habe ich gelernt Dinge geschehen zu lasse. Früher habe ich um alles gekämpft. Ich dachte es müsste so sein, weil es immer so war. Der Gedanke, dass etwas einfach so und ohne Kraftanstrengung passiert, war mir unbekannt. Ich kämpfte, um Dinge in mein Leben zu bringen und kämpfte dann darum, dass sie auch dort bleiben würden. Heute gehe ich mit einem anderen Vertrauen durch die Welt. Ich bin geduldiger und mache bewusst Platz in meinem Leben, damit sich dort das manifestieren kann, was tatsächlich zu mir gehört, anstatt etwas festzuhalten nur um nicht allein zu sein. Ich glaube fest daran, dass ich alles bekomme, was ich brauche. Vielleicht ist es nicht immer das, was ich mir in dem Moment wünsche. Aber es ist auf jeden Fall das, was zu meinem Wachstum beiträgt.

Wie du siehst, hat sich in nur sechs Monaten so wahnsinnig viel in mir und meinem Leben verändert. Indem ich mir meine alten Verhaltensmuster verboten habe, musste ich neue Wege gehen und konnte mich dadurch neu entdecken. Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied. Willst du etwas verändern, dann wähle den Weg nach Innen. Nur dieser führt zum Glück.

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