Tag 18:
Ich will dich –
nicht verlieren!

In meinem gestrigen Beitrag schrieb ich über verschiedene falsche Gründe Sex zu haben. Auf einen ganz wichtigen, bin ich nur am Rande eingegangen: Sex zu haben, um den anderen nicht zu verlieren.

Das Problem bei mir ist oft, dass sich immer wieder sehr gute Freunde in mich verlieben oder zunehmend mehr von mir auf nicht-platonischer Ebene wollen. Menschen, die ich toll finde, die mich faszinieren und mit denen ich so unglaublich gern Zeit verbringe. Und ich hasse es so sehr, diese Menschen deshalb aus meinem Leben gehen zu sehen, weil sie mehr von mir wollen als ich von ihnen. Diese Annäherungsversuche, die dann doch wieder zurückgewiesen werden, tun keiner Freundschaft gut.

Es fiel mir wirklich lange schwer damit umzugehen. Ich bin eine Mischung aus Femme Fatale und Kumpeltyp – ich scherze, necke, lache, drücke und bin einfach umgänglich und entspannt. Das Ganze auf 1,80m und mit langen Beinen. Und: Wenn meine Kuschelakkus gerade leer sind, tappe ich manchmal in die Falle mich auf Dinge einzulassen, die nicht immer eindeutige Signale senden. Damit meine ich nicht, dass ich ständig mit meinen platonischen Freunden ins Bett steigen würde. Nein! Aber auf gemeinsames Kuscheln lasse ich mich dann doch manchmal ein. Ich bin einfach eine Kuschelkatze und liebe Nähe. Küss mich, Frosch und ich schwebe auf Wolken. So bin ich einfach. Nur manchmal wird das zur Herausforderung für Freundschaften.

Und so erinnere ich mich an eine Situation mit Christian – einem heute guten Freund/Ex-Freund. Das mit uns war auf der körperlichen Ebene eigentlich schon beendet – dachte ich zumindest. Unsere „besondere Freundschaft” ging über zwei Jahre in ständigen On  und Off’s und ohne jegliche Verbindlichkeit von seiner Seite. Mal sahen wir uns jede Woche, dann auch mal wieder zwei Monate gar nicht. Wir waren nie zusammen, aber wir waren auch nie getrennt. Uns verband vom ersten Tag ein Zauber. Die Zutaten des Zaubertranks waren eine Kelle Glückselixir gemischt mit Freiheit, einer großen Portion Leichtigkeit und zwei Eimern Tiefe. Über die Zeit entwickelten wir eine innige und tiefe Verbindung. Der Begriff „besondere Freundschaft“, den er so gern wählte, wenn ich ihn auf unseren Status ansprach, passt daher ziemlich gut.

In dieser Zeit ließ ich mich auch immer wieder auf andere Männer ein. Zum einen, weil er mir nie die Verbindlichkeit gab, die ich mir gewünscht hätte und ich hoffte so einen anderen Mann zu finden, der mit mir eine echte Beziehung führen möchte. Zum anderen damit ich mir selbst immer wieder beweisen konnte, dass ich nicht zu sehr auf ihn fixiert bin, wenn er es auch nicht auf mich ist. Ich lernte dadurch auch Männer kennen, mit denen ich mich auf zarte Verliebtheitspfade begab. Mr. wunderschöne Nacht im Mai war einer davon. Ich schwebte mit ihm gerade auf einer rosaroten Wolke und hoffte, dass er es schaffen würde, mich von meiner Fixierung auf Christian zu befreien, die mich trotz all des Glücks auch immer wieder anstrengte und quälte. Schließlich gab er mir alles was ich wollte und doch wieder nichts. Beide waren in manchen Bereichen grundverschieden und in anderen dafür wie Zwillinge. Auch nachdem ich mich in einen anderen Mann verliebte, sah ich Christian in ähnlicher Frequenz wie vorher. Der einzige Unterschied war nur, dass ich neben und nicht mit ihm schlief. Wir hatten genauso viel Spaß, hatten das gleiche Level an zwischenmenschlicher Nähe und für mich war alles gut und hätte so auch die nächsten Jahre und Jahrzehnte weitergehen können. Mit ihm war ich weniger allein. Er gab mir einen gewissen Halt ohne mich einzuengen. Es war nicht das was ich wollte, aber ein guter Ersatz.

Leider sah er das anders. Mich haben und auch gleichzeitig wieder nicht haben zu dürfen, ging für ihn nicht. Sex war neben stundenlangen Gesprächen immer ein wesentlicher Bestandteil unserer Treffen. Und als diese Säule wegbrach, veränderte sich die Art unserer Zeit zu zweit. Schon als wir uns kennenlernten wusste ich, dass ich als platonische Freundin nur eine sehr untergeordnete Rolle in seinem Leben spielen würde. Als “besondere” Freundin konnte ich jedoch viel öfter Teil seines Lebens sein. Eines Lebens, das zugleich faszinierte und abstieß. Ich tauschte daher meinen Körper gegen seinen Verstand und dafür, dass er mir die Welt erklärte.

An einem unserer letzten Abende wusste ich, dass mein körperlicher Rückzug zur Trennung führen würde. Ich kam schon mit einem mulmigen Gefühl im Bauch zu ihm. Es war der Abend, an dem ich mich mit Tränen im Gesicht vor seinem Badezimmerspiegel wiederfand. Das Zurückweisen eines Kusses führte zu einem langen Gespräch über das, was wir sind, was ich will und was er mir geben könne. Der Grundton war, dass mir das, was er mir gibt, nicht reicht und ich stattdessen die wahre Liebe finden und Liebe machen möchte, anstatt immer nur zu ficken. Denn obwohl wir wilden und abwechslungsreichen Sex hatten, hatte ich in diesen zwei Jahren nicht einmal das Gefühl, dass wir Liebe machten. Es hatte nie diese Innigkeit und das tief in die Augen schauen und miteinander verschmelzen. Dieses Gefühl von „zwischen uns passt kein Blatt” fand bei uns immer danach statt, wenn er mich fest in seinen Armen hielt, wir noch stundenlang über Gott und die Welt redeten, er den Erklärbär für mich gab, seine Lieblingsmusik für mich spielte und wir einfach total ungezwungen miteinander riesigen Spaß hatten. Der Sex mit ihm war nie schlecht – ganz im Gegenteil. Es war immer gut und erregend. Es fehlten mir auf Dauer nur zwei Komponenten – eine Prise Liebe machen und eine Portion Committment und Sicherheit.

Ich wollte unsere Freundschaft einfach so belassen wie sie war und wenn wir abends ins Bett gingen einfach nur nebeneinander einschlafen statt vorher noch eine Runde aufeinander zu turnen. Ich wollte ihm weder einen anderen Platz geben, noch wollte ich, dass sich irgendetwas zwischen uns verändert oder weniger intensiv wird. Ich wollte einfach nur nicht mehr mit ihm schlafen. Als er allerdings ankündigte, was das „nicht mehr mit ihm schlafen“ für ihn bedeuten würde, überkam mich die Angst ihn und unsere schönen gemeinsamen Momente gänzlich zu verlieren. Es war ein furchtbares Gefühl – wie ein Dolch in meinem Herzen. Auf mich wirkte das wie eine Erpressung a lá „Schlaf mit mir oder ich will dich nicht“. Die Angst ihn womöglich nicht mehr in meinem Leben zu haben, brachte mich dazu an diesem Abend doch wieder mit ihm ins Bett zu gehen, um so auch weiterhin die Berechtigung zu haben neben ihm einzuschlafen und aufwachen zu können. Er nahm mich von hinten – vorn liefen mir leise die Tränen übers Gesicht, ich setze mich auf ihn und schloss meine Augen, damit er meine Traurigkeit darin nicht sah. Er kam – ich ging ins Bad und rang um Fassung. Er schlief ein – ich bekam die ganze Nacht kein Auge zu.

Er weiß davon nichts. Ich habe es ihm nie erzählt. Ich wüsste auch nicht wie. Ein „Bitte lass uns all das erhalten was wir hatten, zügele nur einfach deine Gelüste”, kommt auch mir ziemlich eigenartig vor. Es kommt mir vor allem egoistisch vor – schließlich hatte auch ich Erwartungen an unsere Treffen – auch wenn diese eher intellektueller Art waren. Ich weiß, dass er nie niemals diese Emotionalität erzeugen wollte. Er hätte mich nie gedrängt. Ich habe mich selbst entschieden so zu handeln. Es war meine Angst ihn sonst komplett zu verlieren, es war meine Emotionalität, es waren MEINE falschen Gründe.

Wir sahen uns nach dieser Nacht noch zweimal. Beide Male um zu besprechen, wie das mit uns weitergehen könnte. Er machte einen Schritt vor und zwei zurück. Nach ergebnislosen Gesprächen schickte ich ihn in den Denkurlaub. Als er wiederkam hatte er keine klare Antwort für mich, nach zwei weiteren Monaten fehlten ihm immer noch die Worte. Schließlich nahm ich mich der Entscheidung an und teilte ihm mit, dass ich das nicht mehr möchte. Es war keine einfache Entscheidung, aber die richtige. In der Nacht nach unserer endgültigen Trennung entschied ich mich für ein Jahr auf Männer zu verzichten. Jedem Ende wohnt ein neuer Anfang inne. Und mit etwas Abstand betrachtet, bin ich sehr froh, wie alles geschehen ist. Wir sind heute noch Freunde – anders als früher. Aber vielleicht genauso wie ich es immer wollte.

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12 Gedanken zu „Tag 18:
Ich will dich –
nicht verlieren!
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  1. Liebe Lena,

    1000 Dank, dass du dir ein Herz fasst und hier so offen über deine Erfahrungen sprichst. Ich habe mich in den ersten Tagen des gespannten Mitlesens nicht getraut, will mich aber jetzt endlich hervorwagen und einmal öffentlich “danke” sagen.

    Ich bin sicher, es geht ganz, ganz vielen Frauen so wie dir – ich erkenne mich jedenfalls sehr oft wieder und werde versuchen, deine Gedanken als Anstoß für ein erfüllteres Sex- und Beziehungsleben zu sehen.

    xoxo,
    Kerstin

    1. Liebe Kerstin,

      deine Worte bauen mich auf. Gerade heute ist so ein Tag an dem ich so etwas wirklich gut gebrauchen kann. Von daher einen herzlichen Dank und eine imaginäre Umarmung.

      Liebe Grüße, Lena

  2. Hey Lena, auch ich bewundere deine Offenheit! Und auch heute erkenne ich mich in deinen Erzählungen wieder. Damals hab ich mich echt schlecht gefühlt… Sex mit nem Freund zu haben, obwohl man eigentlich echte Nähe gesucht hat… Leider hab ich es bisher nicht geschafft mit diesem Freund auf einen “grünen Zweig” zu kommen, der Kontakt ist abgebrochen, bzw. habe ich ihn abgebrochen, weil ich mich wenig gewertschätzt gefühlt habe. Ich selbst habe mich aber auch komisch verhalten, weil ich mich so unwohl gefühlt habe und das offene Gespräch sich nie ergeben hat… Naja, ich bin gespannt wie euer Treffen im neuen Jahr wird.

    Lieben Gruß, Tine

    1. Liebe Tine,

      vielen Dank für deine Worte! Wir haben uns zum Glück schon oft genug getrennt, sodass wir wissen, dass es danach als Freunde weitergeht. Mittlerweile haben wir da einfach Routine drin und weiß ich schon jetzt, dass wenn er mich im Januar wieder lächelnd an der Tür empfängt alles gut sein wird. Was es allerdings nicht unbedingt immer einfacher macht…

      Liebe Grüße
      Lena

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