Tag 14:
Spiel mit mir, Baby!

Ihr Lieben, ich bin so glücklich, dass das Thema Bindungsangst und Angst vor dem Einlassen auch für euch relevant ist und ich so viele interessierte Rückmeldungen bekomme. Ich hatte euch in dem gestrigen Beitrag bereits über meine Bindungsangst erzählt und dass ich mich dieses Wochenende tiefergehender damit beschäftigen will. Hier also etwas mehr zu dem Thema:

Die Angst davor sich einzulassen

Kennt ihr dieses Gefühl sich erst einmal unnahbar und rarmachen zu müssen, nachdem man jemanden kennengelernt hat, der einem gefällt? Dieses anstrengende spielen und taktieren. ICH HASSE ES! Also wirklich! Nimm mich so wie ich bin und genieße was du bekommst. Jemand der periodisch wiederkehrend die kalte Schulter und eine gewisse Distanz braucht, um sich angezogen zu fühlen und den Jagdinstinkt zu wecken, strengt mich an. Und nach meiner bisherigen Recherche ist es wohl auch ein klares Indiz für eine Prise Bindungsangst.

Klar, ist es zu viel des Guten, wenn einer nach zwei Wochen schon offen über’s Heiraten spricht. Liebe Männer, lasst euch trotzdem sagen, dass wir Frauen es in unseren Fantasien doch manchmal tun. Und ich hatte auch schon Männer, die bereits beim zweiten Date über die gemeinsame Wohnung und beim dritten über unsere gemeinsamen Kinder sprachen. Aber auch dieses überschnelle in etwas hineinspringen – so schön und romantisch es vielleicht ist – ist ein weiterer Hinweis für Bindungsangst.

Es war bisher genau diese Dynamik in der Kennenlernphase, die ich nie verstand. Ich hatte das Gefühl immer an den falschen Partner zu geraten oder nicht spannend genug zu sein, damit sich einer langfristig für mich entscheidet. Menschen, die mich kennen, glaubten mir immer nicht, dass ich keinen fände. Ich hatte wirklich das Gefühl es wäre so. Und so strebte ich nach Perefktionismus, um irgendwann für einen anderen anziehend und attraktiv genug zu sein. Jedes Mal wenn eine Kennenlernphase scheiterte – ich kann in den letzten Jahren nicht davon sprechen eine wirkliche Beziehung geführt zu haben – war ich am Boden zerstört. Mir war nicht bewusst in welcher Spirale ich mich befand.

Ich hatte euch bereits gestern schon kurz davon berichtet: Wenn ich jemanden kennenlerne, ruhe ich in mir, bin entspannt, cool, lässig und selbstsicher. Ich hatte in meinem Leben genug Dates, dass ich weiß wie es funktioniert. Aufregung? Das war mal. Sobald mich der andere fasziniert und ich mich ein Stück weiter einlasse, werde ich auf einmal unsicher. Ich frage mich, ob sich der andere gerade zurück zieht. Ob ich zu nah bin und wieder unnahbarer sein sollte und ob ich ihm zu oft und zu viel schreibe. Darin zeigt sich Verlustangst und mein Problem adäquat mit Nähe umzugehen. Dieses Kopfkarussell und das sorgenvolle Gedankenkreisen stressen mich. Deshalb habe ich beschlossen mir erst einmal von allem eine Pause zu gönnen und den Knoten in meinem Kopf und in meinem Herzen zu entwirren.

Bindungsängstliche haben nämlich ein Problem damit Nähe und Beziehungen auszuhalten, ihr Wunsch danach ist dennoch oft enorm groß. Ihre Sehnsucht nach Verbindung und Freiraum springt dabei oft und schnell hin und her. So sehr wie sie Angst davor haben, so sehr begehren sie danach. Sie wissen oft selbst nicht was sie heute und was sie morgen wollen. Es ist diese Ambivalenz, die die Personen oft selbst und ihre Partner und Dates meist noch mehr um den Verstand bringt. Dem perfekten Schein zu Beginn, dem Überschwang, den großen Zukunftsfantasien und gemeinsamen Plänen folgt schneller als erhofft der Rückzug. Die bindungsgestörte Person weiß oft gar nicht warum ihr plötzlich alles zu viel wird und sie die Rettung in der Flucht sucht. Im Gegensatz dazu denkt sich der Mensch, vor dem geflüchtet wird, dass er oder sie Schuld am Rückzug des anderen hätten. Es ist nämlich so, dass Bindungsängstliche sich wie Magneten anziehen. Bindungsangst drückt sich oft auch in einer Verlustangst aus. Je mehr der eine flüchtet und seinen Freiraum will, desto mehr kämpft der andere um Aufmerksamkeit und hofft, dass es wieder so schön und innig wird wie zu Beginn. Die Krux dabei: Beide halten Nähe nur schwer dauerhaft aus. Der eine ist dabei der aktiv Flüchtende und der andere der passiv Leidende. Eins steht fest: Sie machen sich beide gegenseitig das Leben schwer.

Das Problem bei Bindungsangst ist, dass die größte Intensität, dann gespürt wird, wenn die Verbindung zueinander noch zart und ungewiss ist. Sobald Routine und Beständigkeit ist das Zusammensein kommt, bekommen sie Angst oder langweilen sich. Manche ziehen sich zurück, andere beginnen Streit oder einen Affäre, um erneut diesen Kick zu spüren, aus der Eroberung neue Selbstbestätigung zu ziehen und sich selbst wieder mit voller Kraft zu spüren. Sobald die neue Leidenschaft wiederum sicher ist, verlieren sie auch hier schnell das Interesse. Langzeitbeziehungen mit den damit einhergehenden Erwartungen anderer schrecken sie eher ab. Gleichzeitig ist es nicht so, dass sie sich nicht wünschen würden irgendwann zu heiraten. Allerdings ist diese Vorstellung mehr ein entferntes Sehnen, als dass sie wirklich morgen heiraten möchten. Wenn das nämlich der Fall wäre, würden ihnen unzählige Zweifel in den Sinn kommen. Die berühmte Braut oder auch der Bräutigam, die/der sich nicht traut.

Personen mit Bindungsangst sind in ihrem Innersten überzeugt, dass sie sich den Bedürfnissen und Erwartungen des anderen anpassen müssen, um zu genügen und geliebt zu werden. Dies bewirkt nach einer gewissen Anfangsphase, die sie genießen, schnell einen enormen Druck. Sie haben das Gefühl gefallen und immer strahlen zu müssen, da sie sonst nach den ersten wundervollen gemeinsamen Momenten womöglich als Scharlatan auffliegen würden. Da es ihnen schwer fällt sich selbst abzugrenzen, sind sie sehr empfindlich was Bevormundung, Vereinnahmung und Abhängigkeit zu anderen angeht. Paradox dabei ist, dass auch das, was sie sich vorher von einer Partnerschaft wünschen, sich in gelebten Bindungssituationen für sie wie Zwang und Erwartungsdruck anfühlt. Der gemeinsame Kuschelabend auf der Couch wird dann schnell zum Verlust der eigenen Abendroutine und geht mit Ausreden einher, warum man dafür heute keine Zeit hat, anstatt zu sagen: „Ich brauche heute Zeit für mich!“. Das Eingestehen der eigenen Bedürfnisse und somit die mögliche Zurückweisung der Wünsche des anderen, empfinden sie als unverzeihlichen Fauxpas – ein Fehltritt, der ihnen ihre Liebenswürdigkeit kosten könnte. In dieser Situation haben sie gleichzeitig zunehmend das Gefühl sich selbst aufzulösen. Sie haben das Gefühl zu ersticken, in Ketten gelegt und gefangen zu sein.

Ich kenne beide Seiten: Das Flüchten vor zu viel Nähe und Erwartungen sowie die Angst vor dem Verlust und das Anhaften an dem bisschen Bindung, was ich dennoch in dem anderen finde, auch wenn es nicht das ist was ich mir wirklich wünsche. Ich dachte lange das Spiel muss so sein. Ich dachte die Unnahbarkeit zu Beginn gehört dazu. Ich habe oft die Erfahrung gemacht, dass sie nicht verschwindet sondern bleibt. Und zwar auf die Weise, dass sobald ich ein wenig nahbarer werde, der andere die Mauer seiner Unnahbarkeit umso höher zieht. Ich wusste lange nicht um der Dynamiken und fühlte mich diesem beschissenen Spiel ausgeliefert. Ich habe nicht verstanden, dass ich diese Männer anziehe und die anderen, die innige Bindung wollen, nicht aushalte. Wenn ich zurückblicke, war es ein frustrierender Kampf, den ich nicht gewinnen konnte. Es war nämlich das falsche Schlachtfeld. Es ist der Kampf mit mir und meiner Bindungsangst, den ich austragen muss. Und ich kann euch sagen, es tut so unglaublich gut mich diesem Thema zu stellen.

Mir fallen gerade die Schuppen von den Augen und ich verstehe so viele Situation der letzten Jahre besser. UND! Ich habe heute eins beschlossen: Ich lasse ab jetzt die Finger von Dates, die die Unnahbarkeit und Distanz brauchen, damit sie mich interessant finden. Denn wenn jemand mich nur unter dieser Dynamik anziehend findet und von zu viel Nähe abgeschreckt wird, der sollte sich als aller erstes zunächst mit seiner Bindungsangst auseinandersetzen als seine Zeit mit Dates zu verbringen, die keine Chance haben in einer glücklichen Beziehung zu enden.

Meine Hoffnung ist, dass ich in den verbleibenden 352 Tagen mein Bindungschaos aufräume und bindungsängstliche Männer erst gar nicht mehr anziehe. Mein Wunsch für das nächste Weihnachten: Meine Zeit mit einem Menschen zu genießen, der sich auf Liebe und Nähe einlassen kann und vor dem ich nicht weglaufe.

 

 

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3 Gedanken zu „Tag 14:
Spiel mit mir, Baby!
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  1. Wow, Lena!

    Ich las deinen Beitrag, als würde mein Spiegelbild zu mir sprechen 🙈
    Es ist leider immer so und auch meine derzeitige Beziehung läuft so ab. Das lustige ist, dass der Beginn aber ganz anders war. Ich war zum ersten Mal komplett ich und für ihn war ich auch die erste Person, wo er sich fallen lassen konnte! Aber es ist dennoch so, dass wir beide nach einer Gewissens zeit wieder in dieses „Spiel“ gefallen sind. Ich habe Beziehungen immer verabscheut, bis ich ihn traf. Zuvor traf ich immer auf Bindungswillige, die mich aber nicht reizten. Nur die Unnahbaren wollte ich „besitzen“. Traurig, dass Menschen oft so ticken und Danke, dass du dem einen oder anderen (so auch mir) einen Spiegel vorhältst!

    1. Danke dir für dein Feedback! 🙂

      Ich werde genau dieses Thema “Die Lieben reizen mich nicht, aber die Unnahbaren will ich dafür umso mehr” demnächst noch einmal intensiver aufgreifen. Mich beschäftigt das auch sehr!

      Hab einen schönen Abend!
      Deine Lena

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