Tag 11:
Ich erfinde mich neu

Was braucht es, sich neu zu erfinden? Reicht Mut? Es braucht mindestens auch eine Richtung. Oder braucht es sie nicht?

Es braucht Reflexion, um zu verstehen wer man heute ist und warum. Es braucht Weisheit, damit man für sich klärt wer man sein will. Nicht nur welche Eigenschaften sich von außen betrachtet gut anfühlen würden, sondern auch welche es sind, die einen im Inneren langfristig glücklich machen. Man muss aufräumen, entrümpeln und rigoros wegschmeißen, wenn man einen wirlichen Neustart möchte. Ich würde mich gern trauen alles über Board zu werfen und nochmal von vorn zu beginnen. Mein Leben ist nur zu komfortabel, um dies radikal zu tun. Die Opportunitätskosten sind zu hoch.

Ich lebe mein Leben gern. In der Tat bin ich gesegnet mit einem wundervollen Dasein. Es gibt wenig, was mir fehlt. Aber ich weiß, dass wenn sich alles so fortsetzen würde, würde ich auf mein Leben zurückschauen und denken, ich hätte es verschwendet. Ich müsste mir eingestehen, dass ich mich dem Hedonismus und dem Komfort hingegeben habe und dass mir Geld wichtiger war als Bestimmung. In mir weiß ich das. Wenn ich aus meinem Trott heraus bin – wie z.B. auf meiner diesjährigen Trekking-Tour in Nepal – dann komme ich dem Schritt in die richtige Richtung auch sehr nah. In meinen Gedanken schreibe ich die richtigen E-Mails und Briefe. Wenn ich ausreichend Distanz habe, schaffe ich es mich loszureißen und wahrhaft ICH zu sein. Bin ich zurück in meiner gewohnten Umgebung, bin ich zurück in dem Leben, das ich wollen soll. Die Ketten des Alltags nehmen mich wieder gefangen und bändigen meine Gedanken.

Wenn ich aus allem heraus bin, dann fällt es mir viel leichter alles loszulassen und einfach nur ganz ICH zu sein. In den Bergen Nepals ohne Make-up, ohne BH und mit nichts dabei, was ich nicht brauchte, denn es wollte alles bis auf 5416m getragen werden. Dort war ich ICH. Authentisch. Dort war ich glücklich. In den ersten Tage nach unserer Wiederkehr nach Deutschland kamen mir die Menschen auf den Straßen vor wie Roboter, die mit Scheuklappen auf dem Kopf ihr Programm abspielen. Jeden morgen ist es mir schwer gefallen mich vor meinen Kleiderschrank zu stellen und mir aussuchen zu müssen, was ich heute wieder tolles aus dem Schrank zaubere. Zwei Tage am Stück das gleiche T-Shirt? Um Gottes Willen, was sollen denn die anderen über mich denken? In Nepal hatte ich nur drei Hosen – eine trug ich tagsüber beim Wandern, eine abends in der Unterkunft und eine war für die kalten Temperaturen in der Höhe. Zu Hause habe ich mehr als ich brauche – ich denke auch mehr als mir wirklich gut tut. Ich möchte Abstinenz in allem. Abstinenz, um mir der Dinge bewusst zu werden, die mir wirklich etwas bedeuten – mit dem Ziel danach zu wissen was ich wieder aufbauen will und was die Dinge sind, die mich nur beschweren und die ich getrost weglassen kann ohne mein Seelenheil zu gefährden.

Mit all den Dingen in meinem Leben bin ich so abgelenkt und so beschäftigt. Die Zeit mich hinzusetzen und darüber nachzudenken nehme ich mir zu selten. Wer sagt heute schon noch: „Ich gehe jetzt nach Hause und denke nach.“? Der Satz ist eher: „Ich gehe nach drei Überstunden nach Hause, habe auf dem Heimweg noch schnell ein Date – Tinder, naja, nichts besonderes – danach noch schnell einkaufen und wenn ich zu Hause bin, warten diverse Flimmerkisten und Apps auf mich, die meine Aufmerksamkeit fordern. Ich würde gern, dass wir öfter nach Hause gehen und denken.

Ich würde gern springen. Mich losreißen von den Ketten. Einfach ICH sein. Aber dafür muss ich erst herausfinden wer oder was dieses ICH eigentlich ist, damit ich weiß in welche Richtung ich abspringen muss.

Ich habe dazu ein Gedicht geschrieben, dass ich gern mit euch teilen möchte:

 

Re-Invention

Today. Tomorrow. Back again.
Forward. Backward. STOP!
Can I take risk, take on a role
Or will I want to miss?

The chance, the challenge and the fame.
The drowsy, busy bee.
Come here, be there, neglect YOUR place
and never go to sleep.

The longing for authentic life,
desire for a leap.
Allow for letting go of ALL.
And finally find ME.

 

 

 

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